Stark Vital Nr. 29

Repor tage

Die Grossmutter-Therapie Ein neues Konzept made in Africa

Die angehenden «Therapeutinnen» Grossmütter sind die Hüterinnen der lokalen Weisheit und verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz, den sie mit anderen teilen können. Sie haben Einfüh lungsvermögen, wissen zuzuhören, werden geliebt und respektiert und haben Zeit, sich denjenigen zu widmen, die Hilfe brauchen. Menschen denken manchmal, sie seien depressiv, aber in Wirklichkeit haben sie nur ein Problem zu bewältigen, das sie plagt. Offen darüber zu sprechen, hilft schon und wenn die Situation so ernst ist, dass auf der Bank geweint wird, sind Grossmüt ter natürlich auch bereit, zu trösten. Zuerst werden die angehenden Teilnehmerinnen mit einem lokal va lidierten Instrument, dem Shona Symptom Question naire (SSQ-14), untersucht. Liegt das Ergebnis über dem Grenzwert, wird ihnen vorgeschlagen, sich ei ner Einzeltherapie zur Problemlösung zu unterziehen. Bei den Gesprächen hört sich die zuständige Gross mutter sorgfältig die Geschichte und die Sorgen ihrer "Patient:in" an und schlägt einen gut durchdachten Aktionsplan vor. Später werden die Teilnehmer:innen in eine von Gleichaltrigen geleitete Selbsthilfegruppe eingeführt, die als Circle Kubatana Tose (CKT) bekannt ist, was so viel bedeutet wie "gemeinsam die Hände halten". Dieser sichere Raum, in dem frei geredet und aufmerksam gehört wird, schafft ein Gefühl der Zuge hörigkeit - geteiltes Leid ist halbes Leid, hilft dabei, sich seiner Probleme bewusst zu werden und gleichzeitig wird die wahrgenommene Stigmatisierung psychischer Leiden abgeschwächt. „Die Bank ist ein einfaches, aber wirkungsvolles Mittel zur Förderung des psychischen Wohlbefindens.“ WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus Die angehenden «Therapeutinnen», die keine Erfahrung auf dem Gebiet und oft eine minimale Schulbildung haben, werden aus der Bevölkerung rekrutiert, sofern sie lesen und ein Smartphone bedienen können. An schliessend absolvieren die Grossmütter eine dreimo natige Ausbildung, die sich aus Theorie und Praxis zu-

Man nehme eine hilfsbereite Grossmutter und eine Bank an einem ruhigen Ort: Das ist die alternative und kostengünstige Lösung für den massiven Bedarf an psychiatrischen Behandlungen in einem Land wie Simbabwe, wo Psychotherapeut:innen zu einer äus serst geringe Berufsgruppe gehören.

The Friendship Bench Die Idee ist einfach und dennoch revolutionär, ja sogar genial, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel wirk lich knapp sind: Grossmütter sollen Menschen, die keinen Zugang zu angemessenen Therapien haben, eine wirksame psychologische Unterstützung bieten. Die innovative und unkonventionelle Formel heisst Friendship Bench Therapy und wurde 2006 von dem simbabwischen Psychiater Dixon Chibanda, Direktor der AMARI, African Mental Health Research Initiative , entwickelt. Simbabwe ist ein Land im südlichen Afrika mit 16,5 Millionen Einwohnern, das unter Dürre, Infla tion, Korruption und Nahrungsmittelmangel leidet und wo viele Menschen HIV-positiv sind. Medikamente und gesundes Essen sind für viele zu teuer. Unterstüt zung von ausgebildetem medizinischem Personal für Menschen, die unter psychischen Beschwerden lei den, gibt es kaum, denn im ganzen Land praktizieren nur ein paar dutzend Psychotherapeut:innen. Mit der Freundschafts-Bank kann eine erschwing liche, nachhaltige und dennoch wirksame Antwort zur Überbrückung der Behandlungslücke im Bereich der psychischen Gesundheit angeboten werden, um das psychische Wohlbefinden und die Lebensquali tät der lokalen Einwohner:innen zu verbessern. Das Programm war so erfolgreich, dass es in viele ande re afrikanische Länder exportiert wurde. Vor wenigen Jahren ist das Projekt auch in der westlichen Welt gelandet, zuerst in New York und London, während andere (nicht nur) europäische Länder ihr Interesse bereits bekundet haben. Die Friendship Bench ist eine Nichtregierungsorganisation (NRO) auf der Grundlage ehrenamtlicher Tätigkeit, die in Simbabwe beim De partment of Social Service registriert ist.

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STARKVITAL 60+ Nr. 29