Stark Vital Nr. 28

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Eiskunstlauf ist - wie der Begriff schon sagt - eine Nischensportdisziplin, die einen athletischen Aspekt mit einer rein künstlerischen Komponente gekonnt verbindet. Es ist eine sehr anstrengende Sportart, die alles abverlangt. Mit 3 Jahren stand Denise Biellmann das erste Mal auf dem Eis. 1981 wurde die Zürcherin Europa- und Weltmeisterin und hat weitere unzählige Erfolge erzielt. Sie war die erste Frau der Welt überhaupt, die den Dreifachen Lutz gesprungen ist und nach ihr ist die weltberühmte Biellmann Pirouette benannt, die sie ent wickelt hat. Denise Biellmann wurde 2014 in die World Figure Skating Hall of Fame in Colo rado Springs aufgenommen, wo die grössten Namen in der Geschichte des Sports geehrt werden. Interview DS : Wie wichtig ist die psychologische Komponente bei sportlichen Leistun gen, insbesondere im Wettkampf? Wie ist die Rolle des Mentalcoach, heute eine sehr präsente Figur? Was ist Friebe-Alpha-Training? DB : Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Täglich trainieren Sportler:innen über Stunden Ihren Körper. Den Geist sollte man auch täglich trainieren, damit er am Wettkampf ebenfalls optimal parat ist. Ich habe jeweils täglich Übungen von 15-30 min. gemacht. So war ich super für den Wettkampf eingestellt und konnte auch unter Druck meine Bestleistung zeigen. Das Alpha Training von Margarete Friebe hilft, eine tiefe Selbsterkenntnis zu erhalten und ist Nahrung für die Seele. DS : «Ich trainiere ausdauernd und verliere dabei auch meinen restlichen Babyspeck» (S. 10 in deinem Buch): wieviel Training ist für Kinder und Jugendliche gesund? Überschreitet man heute routinemässig die rote Linie eines tragfähigen Trainings? DB : Beim Spitzensport muss man an seine Grenzen gehen, sonst wäre es Breitensport. Wieviel ein Mensch trainieren kann, ist gerade bei Kindern unterschiedlich. Nicht jedes Kind ist gleich belastbar, das kann variieren. Die Trainingspläne sind für meine Schülerinnen optimal und individuell zusam mengestellt. Grundsätzlich kann man aber sagen, ab 6-7 Jahren kann ein Kind schon 3-4 Mal pro Woche 1-2 Stunden trainieren, vorausgesetzt es macht ihm richtig Spass. Bei Jugendlichen, die Spitzensport betreiben, fällt das Training natürlich länger aus, ca. täglich 2-3 Stunden. Es gibt tatsächlich Länder, wo die Ethik im Sport weniger wichtig als bei uns ist, und wo es einen härteren Umgang im Training gibt. DS : Wie sehr hat deine Schüchternheit den Leistungssport und später das Showgeschäft beeinflusst? DB : Ich war als Kind sehr scheu. Auf dem Eis bin ich aber aufgeblüht, da die Freude und meine Leidenschaft für das Eis stärker waren. Meine Schullehrerin kam mal ins Training und sie war baff, dass ich auf dem Eis eine starke Per sönlichkeit war, sie kannte mich ja nur von der Schule. Ich empfand es so: Wenn ich bei einer Show von der Garderobe zur Eisbahn für meinen Auftritt ging, legte ich bereits auf dem Weg dahin meine private scheuere Denise ab und wurde zur selbstsicheren Läuferin, die selbstbe wusst war. DS : Kann die sportliche Betreuung durch die Mutter die Mutter-Tochter Beziehung beeinträchtigen? DB : Uns hat das eher noch mehr zusammengeschweisst. Wir haben alles zusammen erlebt, die Reisen für das Eislaufen um die ganze Welt, die Emo tionen und die Erlebnisse. Meine Mutter war ja neben meinem Trainer Otto Hügin, auch meine Trainerin. Also brauchte ich sie an meiner Seite, einerseits war sie meine Trainerin und anderseits war sie wichtig für meine Seele. DS : Hast du jemals Verletzungen durch das intensive Training erlitten? DB : Ich bin da ziemlich gut durchgekommen, hatte nichts Gravierendes, ausser mal eine Achillessehnenentzündung, die durch einen neuen Schlittschuh ausge löst wurde. Da musste ich 2 Monate pausieren. Danach war ich aber noch moti vierter und verspürte noch mehr Biss im Training. DENISE BIELLMANN Mit «60» noch Dreifach-Sprünge

DS : Pollen- und Stauballergie, die asthma tische Anfälle verursacht: Wie lässt sich das mit dem intensiven Training vertragen? Eine andere Sportlerin hätte die Ausrede gehabt, um alles aufzugeben. DB : Anfangs war es schwierig, als es noch keine vorbeugende Therapie für das Asthma gab. Ich habe eine Pollenallergie, die ich jeweils von Juni bis September spürte. Oft mussten wir notfallmässig einen Arzt zu uns nach Hause kommen lassen. Während der Sommermonate war es im Training schon störend: als ich z.B. nach einem Anlauf zu einem Sprung ansetzen wollte, bekam ich manchmal fast keine Luft mehr und konnte den Sprung nicht ausführen. In den 90er Jahren lernte ich den Präsidenten der Lungenliga kennen. Er informierte mich, dass es eine neue vorbeugende Therapie gab. Als ich diese dann anwendete, wurde meine Lebens qualität massiv besser, ich hatte fast keine Beschwerden mehr. DS : Hat deine berühmte Biellmann-Pirou ette deinen Rücken beeinträchtigt? DB : Glücklicherweise nicht, ich habe mich vor den Trainings und Auftritten immer gut eingeturnt, was unheimlich wichtig ist, und neben dem Eis stets meine Beweglichkeit auf dem Boden trainiert. Überhaupt ist es als Spitzensportlerin von Nöten auf seinen Körper zu hören und ihm auch mal etwas zurückzugeben, wie z.B. Massagen oder Fussreflexzonenmassagen. Man kann nicht immer dem Körper viel abverlangen und ihm nichts zurückgeben. DS : Nach dem WM-Titel hast du dich den Profi-Wettkämpfe gewidmet. Bis zu wel chem Alter? Gab es ein Höchstalter für die Teilnahme? DB : Ich habe als 37-jährige zum elften Mal den Profi-WM-Titel gewonnen gegen viel jüngere Athletinnen. Bei diesen Wett kämpfen wurden nur ehemalige Weltmeis terinnen eingeladen und ich habe fast jede gewonnen. Es gab kein vorgeschriebenes

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STARKVITAL 60+ Nr. 28

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