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Repor tage
Frauenfussball in England Eine verzwickte Geschichte
Das Verbot Die 150 aktiven Frauen mannschaften wurden 1921 auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs als Bedro hung für den Männer fussball empfunden. Den Sport zu professionalisie ren und die Spielerinnen zu bezahlen, war für viele völlig inakzeptabel. Der englische Fussballverband brachte seine Abneigung gegenüber dem Frauen fussball zum Ausdruck und unter dem Vorwand, das Spiel sei «für Frauen völ lig ungeeignet und sollte nicht gefördert werden» wurde der Frauenfussball de facto verboten. Die damaligen offiziellen Erklärungen: • Der Sport sei untauglich für den Körper der Frauen, schädlich und gefährlich für ihre Gesundheit; • Aus praktischen Gründen müssten Frauen (skandalös) angemessene Kleidung tragen; • Frauen hätten Eintrittskarten verlangt und so mit dem Sport Geld verdient; • Fussball sei das Great British Game for Men , untrenn bar mit Männlichkeit und durch das Eindringen von Frauen bedroht. 1921 verkündete schliesslich der englische Fuss ballverband ein Verbot des Frauenfussballs auf den Spielfedern der angeschlossenen Vereine. Es dauerte ein weiteres halbes Jahrhundert, bis der Frau enfussball wieder auf die Beine kam, was einer der Haupt gründe dafür ist, dass diese weibliche Sportart heute dem Männerfussball hinterherhinkt. Das Verbot des engli schen Frauenfussballs, das dem Sport schweren Schaden zufügte, wurde von der FA erst nach Generationen aufge hoben: Es war das Jahr 1971 . 50 Jahre Training und Spiele waren verloren gegangen. Das grüne Licht ermöglichte dem Frauensport auf alle Fälle eine richtige Beschleunigung. 2011 fand die erste Saison der Women’s Super League statt. 2014 spielten 2,6 Millionen Frauen und Mädchen in England Fussball. Im November desselben Jahres wurden alle 55’000 verfügba ren Eintrittskarten für das Spiel der englischen Mannschaft gegen Deutschland verkauft. 2018 wurde in England eine voll professionelle Frauenfussball-Liga gegründet. Die FA stellte 1997 ihre Pläne zur Entwicklung des Frau enfussballs von der Basis bis zur Elite vor. Der Fussball verband versprach nachträglich Millionen Pfund für die För derung des Breitenfussballs der Frauen auszugeben, wobei der Schwerpunkt darauf lag, Mädchen und Frauen auf das Spielfeld zu bringen - und zu halten.
Der Fussball in England, wie auch seine weibliche Version, kann auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken. Berichte aus dem späten 18. Jahrhundert deuten dar auf hin, dass irgendeine Form von Frauenfussball damals schon etabliert war. Im 19. Jahrhundert wurde der männliche Fussball systematisch in Vereinen organisiert und in den späten Jahren desselben Jahrhunderts versuchten auch Frauen, eigene Mannschaften und Ligen zu gründen, so wie es die Männer getan hat ten. Das erste offizielle aufgezeichnete Frauen spiel wurde im Land laut Football Association (FA)
1881 ausgetragen, während das erste offizielle interna tionale Frauenspiel 1920 stattfand, als eine französische Mannschaft nach England reiste, um auf dem Spielfeld gegen die englischen Gegnerinnen anzutreten. Während des ersten Weltkrieges Anfang des 20. Jahr hunderts erlebte der Frauenfussball einen enormen Auf schwung. 1915, als viele Männer im Krieg kämpften, setzte die FA aus zahlenmässigen Gründen die Männerli gen aus, während Frauenspiele an Beliebtheit gewannen. Frauenmannschaften, die vom englischen Fussballver band unterstützt wurden, nutzten die Spiele auch, um Geld für die Kriegsanstrengungen zu sammeln. Frauen spiele zogen Zehntausende von Zuschauern in die Sta dien in ganz England. Bis 1921 hatte jede grössere Stadt im Land ein Damenteam. Der Sport erreichte eine Popu larität, von der die Generation zuvor nur träumen konnte. Doch, im Zuge dieser Sichtbarkeit und dieses Erfolgs, tauchten bald geschlechtsspezifische Vorurteile gegen über dem Frauenfussball auf. Nicht jeder konnte den weiblichen Erfolg akzeptieren Viele Engländer waren in der Tat vom Frauenfussball nicht begeistert. Noch bevor eine Mannschaft ein Spiel bestritten hatte, wurde darüber mit Spott berichtet. Denn Fussball wurde von «starken jungen» Männern entwi ckelt und verbessert, und sollte nur von solchen Athleten regelmässig gespielt werden. Einige hielten die Idee vom Damenfussball mit abwertender Haltung eher für kurios und amüsant als für bedrohlich. Frauen konnten sich aus probieren, aber bitte mit Diskretion, sie sollten sich im Hintergrund halten. Einige behaupteten, Frauenmann schaften würden nicht einmal die Spielregeln kennen. Im Zuge dieser frauenfeindlichen Entwicklung und ohne finanzielle und gesellschaftliche Unterstützung wurden die Spiele reduziert und das Interesse schwand.
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STARKVITAL 60+ Nr. 34
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