StarkVital Nr. 38 Magazin

Dr. med. Jürg Kuoni Kolumne

Krebs - bewusst kein Fortschritt in der Behandlung in Sicht ? Neue Hoffnungen, weitere Milliarden flossen und fliessen in ein neues Ren nen: auf das Human Genome Project folgte das Cancer Genom Project. Von Millionen von Krebs-Biopsien wurde der genetische Code der Krebs-Zellen sequenziert. Wir wollen hier nicht weiter in die Details gehen. Seyfried entwickelte aufgrund dieser Hypothese eine Therapie, die kohlehydratfreie «ketogene metaboli sche Therapie» , mit der er eindrückli che therapeutische Erfolge nachweisen konnte. Durch seine Schüler wurde die ser Therapieansatz noch erweitert, zum Beispiel mit hyperbarer Sauerstoff behandlung .

Die USA waren und sind weltweit per manent in Kriege involviert, das Resul tat war und ist immer ein Desaster. 1971 erklärte Richard Nixon, damals Präsident der Vereinigten Staaten, den «War on Cancer» , den Krieg gegen den Krebs. Er stellte USD 100 Millionen (heute wäre das ein Mehrfaches) zur Verfü gung für die Suche nach einer Heilung für den Krebs. «Amerika ist die reichste Nation der Welt, es ist Zeit, dass wir das gesündeste Land der Welt werden» proklamierte Nixon. Seither ist mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen, die USA sind hoch verschuldet und eine der kränksten Nationen, und trotz weitern USD 250 Milliarden für die Krebsfor schung ist das Resultat ein Desaster. Das sind die Forschungskosten in den USA. In den anderen Industrieländern kommt nochmals so viel zusammen. Was hat sich in den fünfzig Jah ren geändert? Nichts. Die Waffen der Schulmedizin sind seit einem halben Jahrhundert dieselben geblieben: Skal pell, Strahlen und Gift. Warum hat sich nichts geändert? Dazu ein Gleichnis: In der Nacht sucht ein Mann im Lichtkegel einer Strassenlaterne nach irgendetwas. Fragt ein Passant: Was suchst du da? Meinen Schlüssel! Bist du sicher, dass du ihn hier verloren hast? Nein, aber hier ist es hell! Wo sucht die akademische Medizin nach der Silver Bullet gegen den Krebs? In der Genetik. Dort suchen alle, weil es hell zu sein scheint. Nachdem Präsi dent Clinton triumphierend verkündete, dass das «Human Genom Project» das menschliche Genom entschlüsselt hatte, schien ein gleissendes Licht über alle Krankheiten zu strahlen, die bisher ein Rätsel waren. Allen voran Krebs. Die Ernüchterung kam rasch. Krebs ist eine genetische Erkrankung, postulierten die Hohepriester der Krebs forschung, allen voran Weinberg und Vogelstein. Krebs beginnt mit gene tischen Veränderungen (Mutationen) in einer einzelnen Zelle, diese gibt das veränderte Gen weiter, es bildet sich ein Klon von malignen (bösartigen) Zellen und daraus entsteht ein Krebs. Dieser hat demnach eine genetische Signatur und sollte damit einer spezifischen The rapie zugänglich sein.

Die Ernüchterung folgte auch hier auf den Enthusiasmus. Keine Krebser krankung, in welchem Organ sie auch immer auftritt, ist genetisch homogen. Jede sequenzierte Krebszelle hat ihren eigenen genetischen Code. Der Krebs entzieht sich damit einer spezifischen genetischen Therapie, die wir ohnehin nicht haben, die aber in greifbarer Nähe zu liegen schien. Die Waffen der Schulmedizin sind darum seit einem halben Jahrhun dert dieselben geblieben: Skalpell, Strahlen und Gift . Die Suche nach dem Schlüssel im Licht kegel der Laterne verlief ergebnislos. Einer, der den Schlüssel dort sucht, wo dieser liegen könnte, ist Thomas Sey fried vom Boston College. Er postuliert, dass Zellen bösartig werden, wenn sie ein Energieproblem haben. Die genetischen Veränderungen sind für ihn Folgeprobleme, nicht die Ursache. Mit einem bestechend einfachen Experi ment belegt er seine Hypothese: Trans plantierte er das Steuerorgan der Zelle, den Zellkern mit dem Krebs-Gen, in eine gesunde Zelle, blieben die Tochterzel len gesund. Entnahm er jedoch einer gesunden Zelle den Zellkern und trans plantierte diesen in eine Krebszelle, blie ben die daraus hervorgehenden Toch terzellen Krebszellen. Was sie mit dem Zellkern mit dem genetischen Code für gesunde Zellen nicht dürften. Offenbar steuerte also nicht nur der Zellkern mit dem genetischen Code die weitere Ent wicklung der Tochterzellen sondern die Zelle selbst, das Zytoplasma. In diesem Zytoplasma arbeiten die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien. Funktionieren diese Mitochondrien nicht mehr, hat die Zelle ein Energieproblem. Seyfried bezog sich auf eine 1931 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete The orie von Warburg, dass die Zelle trotz ausreichend vorhandenem Sauerstoff «verkrebst», weil sie den Sauerstoff nicht nutzen kann. Er wies nach, dass der Grund defekte Kraftwerke, Mitochond rien sind. Darum kann die Krebszelle Energie nur noch gewinnen, indem sie sehr inef fizient Zucker «verbrennt». Gewisser massen ein Strohfeuer statt einer lei sen Glut.

Seyfried ist nach wie vor ein Solitär in der Krebsforschung, im Mainstream ist er praktisch unbekannt oder eben «umstritten», wie das heute heisst. Pharmakologische Krebstheorien sind für die Pharmaindustrie eine wahre Bonanza , in dieser Landschaft ist Seyfried ein Störenfried. Wo stehen wir heute? Natürlich wissen wir, dass Strahlen Krebs auslösen kön nen, wahrscheinlich weil sie die Chro mosomen und damit das Erbgut, das Genom angreifen. Auch wissen wir, dass bestimmte Chemikalien Krebs auslösen, Anilin- und Asbestkrebs sind seit den 30-er Jahren anerkannte Berufskrebse. DIE Ursache für Krebs kennen wir nach wie vor nicht . Seyfrieds Hypothese, dass dem fehl gesteuerten Energiestoffwechsel eine wichtige Rolle zukommt ist einleuchtend. Aber: in unserem «modernen» Leben sind wir vom Morgen bis zum Abend Tausenden von Toxinen ausgesetzt, mit jedem Atemzug atmen wir Toxine ein und aus. Ob es ein bestimmtes Toxin oder das immer zunehmende Gemisch davon ist, wissen wir nicht. Auch nicht, wie dieser Mix unsern Energiestoffwechsel aus dem Takt bringt oder unsern gene tischen Code knackt. Aus der Presse erfahren wir regelmässig von «neuen Durchbrüchen» in der Krebsforschung, die Heilung scheint in Sichtweite. Trotzdem stehen wir vor jeder neu diagnostizierten Krebserkrankung vor einem Rätsel: Woher? Und: Wieso ich? Hab ich doch «alles rich tig gemacht». Was wir aber zwingend folgern müssten: statt im Lichtkegel der Laterne weiter zu suchen wäre eine breiter abgestützte Forschung wahrscheinlich erfolgver sprechender. Daraus werden aber kaum pharmakologische Therapien hervorge hen. Für die Pharma-Industrie, wel che die medizinische Forschung fest in der Hand hat, kein Busi ness Modell.

Jürg Kuoni Dr. med. Jahrgang 1945 Lebenslauf und Kontakt aufnahme: siehe www.starkvital.ch

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