Stark Vital Nr. 29

Repor tage

Silver Economy Babyboomer die dritte Wirtschaftsmacht

Die Zeiten haben sich tatsächlich geändert: Men schen in ihren Sechzigern sind nicht mehr Erwach sene mittleren Alters, jedoch noch nicht alte Men schen. Das überholte Konzept des «älteren Men schen», der bei der Erledigung seiner täglichen Auf gaben auf Dritte angewiesen ist, passt heute eher auf die 80+Jährigen. Die Alterung der Bevölkerung findet in den meisten Ländern der Welt statt. In den nächsten Jahrzehnten wird der Anteil der Weltbevölkerung, der 60 Jahre oder älter ist, wahrscheinlich auf ein historisch nie da gewesenes Niveau steigen. Jüngsten Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge wird es im Jahr 2050 zwei Milliarden Menschen im Alter von über 60 Jahren geben, was einem Anteil von 22 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Im Jahr 2025 werden sie 43 Pro zent der europäischen Bevölkerung ausmachen. In der Schweiz lebten 2019 laut der Genfer Online-Plattform für gemeinnützige Zwecke silvereconomie.ch * schon 1,4 Millionen Menschen über 65 Jahre, Tendenz steigend. Die Silver Economy wird als Teil der allgemeinen Wirtschaft betrachtet und betrifft genau dieses Segment der Bevölkerung, ältere Menschen, die ihre Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise aufgeben und von einem aktiven zu einem auf andere Weise aktiven Lebensstil übergehen. Dieser Wirtschaftsbereich steht in Europa vor einem richtigen Boom. Die Silberwirtschaft ist die Summe aller wirtschaftlichen Aktivitä ten der Produktion, der Verteilung und des Konsums von Gütern und Dienstleistungen, die darauf abzielt, das Kaufpotenzial älterer und alternder Menschen zu nutzen und ihre Konsum-, Lebens- und Gesundheitsbedürfnisse zu befriedigen. Der Alterungspro zess der Gesellschaft ist real und wirkt sich auf jede Branche und jeden Markt aus, wie Wohnen, Verkehr, Lebensmittelindustrie, Versicherungen, Robotik, Gesundheit, Kommunikation, Internet, Sport und Freizeit, Zweige, die sich bereits an den Strukturwan del der Kundschaft anpassen. Die Generation, die die Silberwirt schaft vorantreibt, ist diejenige der Babyboomer, die geburten starken Jahrgänge zwischen 1946 und 1964, die bewusst sind, dass sie bei der Pensionierung noch eine Lebenserwartung von etwa zwanzig Jahren haben, denn dank der günstigen Lebens bedingungen sind viele qualitativ angenehme Lebensjahre bei guter Gesundheit gewonnen worden. Das ist die eigentliche Neuigkeit. Dementsprechend sind die neuen älteren Menschen konsumfreudig und voller Pläne, auch weil es oft nicht an Geld mangelt, das im Laufe der berufstätigen Jahre akribisch gespart wurde. Nicht nur die Regierungen sind sich dessen bewusst, auch die Akteure der Industrie denken sich neue Strategien und Produkte aus, um auf die Bedürfnisse der neuen Senior:innen zu reagieren. Wenn Unternehmen diese neue Dimension igno rieren und sich hauptsächlich an eine jüngere Kundschaft richten, entgehen Ihnen reizvolle Möglichkeiten.

Die höhere Lebenserwartung und die finanziellen Mittel der älte ren Konsument:innen, die ihre Ersparnisse aufbrauchen, sollten für Unternehmen unbedingt ein Weckruf sein. "Allzu oft nutzen Unternehmen diese grosse Chance nicht, weil sie den Markt nicht verstehen. Doch wer bereit ist, seine Hausaufgaben zu machen und die komplexen Zusammenhänge zu verstehen, dürfte reich belohnt werden" , so Anna Price, Geschäftsführe rin von Casenio (UK) gegenüber der Versicherungsgesellschaft Swisslife. Angesichts dieses Szenarios könnte die Eröffnung von Trainingscenter mit gezielter Betreuung für Kund:innen 60+ in der Schweiz ernsthaft ins Auge gefasst werden.

Wäre die europäische Silver Economy, unter Berücksichtigung der über 55-Jährigen, ein souveräner Staat, wäre sie die dritt grösste Wirtschaftsmacht der Welt, gleich nach den Vereinigten Staaten und China. Die Schätzung stammt aus dem von Oxford Economics und Technopolis Group im Auftrag der Europäi schen Kommission erstellten Bericht, in dem berechnet wird, dass die Silver Economy bis 2025 allein auf dem Alten Kontinent ein Bruttoinlandprodukt (BIP) von 6,4 Billionen Euro erreichen werde, was praktisch einem Drittel des Bruttoinlandsproduktes der Europäischen Union entspräche (32 Prozent), und 88 Mil lionen Arbeitsplätze betragen werde, also fast 38 Prozent der Gesamtzahl der Beschäftigten in der Union. Nicht nur Konsum, auch aktive Teilnahme älterer Menschen am Arbeitsmarkt In der Strategie Europa 2020 , ein Wirtschaftsprogramm der Europäischen Union, das 2010 verabschiedet wurde, wird die Notwendigkeit hervorgehoben, mehr ältere Menschen über das Rentenalter hinaus im Erwerbsleben zu halten, um das Problem der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung zu bewältigen. Länger zu arbeiten, kann auch Vorteile haben, wie etwa ein höheres verfügbares Einkommen, gesellschaftliche Integration und per sönliche Zufriedenheit. Aus dieser Perspektive ergibt sich ein zweifacher wirtschaftlicher Nutzen: geringerer Mangel an Per sonal mit langjähriger Erfahrung und verstärkte Kaufkraft, die sich wiederum in einem erhöhten Konsumniveau widerspiegelt.

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STARKVITAL 60+ Nr. 29

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