Stark Vital Nr. 28
Gesell schaft
Body Positivity, ein Eigentor?
Allerdings, sieht die Realität eben etwas anders aus, da das Phä nomen aus zwei gegensätzlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Übergewicht und Magersucht sind zwei Seiten derselben Medaille, da beide Zustände gesundheitsschädlich sind, hinter denen sich oft psychische Leiden verbergen. Einerseits wird eine tolerante Botschaft gegenüber einem üppigen Körperbau vermit telt, andererseits wird verschwiegen, dass Übergewicht und Fett leibigkeit Risikofaktoren für das Auftreten verschiedener Krankhei ten sind, wie Gelenkschmerzen, Diabetes Typ2, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es scheint fast so, als ob Überge wicht nur eine Frage der Ästhetik wäre, wobei vergessen geht, dass zusätzliche Kilos der Gesundheit schaden können, in jedem Alter. Auf den Strassen begegnet man jeden Tag jungen Menschen, die 10, 15, 20 zusätzliche Kilos und mehr mit sich herumtragen, wie bei einer anstrengenden Arbeit. Welche Krankheiten werden durch ihr Übergewicht auftreten? Wie wird sich das auf die Gesundheits ausgaben der Gemeinschaft auswirken? Body Positivity birgt die Gefahr, dass sie die Aufmerksamkeit vom Problem lenkt und das Gewissen der Betroffenen zum Schweigen bringt. Die Body Positivity-Bewegung steht in der Tat immer wieder in der Kritik, durch die Akzeptanz von überflüssigen Kilos einen ungesunden Lebensstil zu fördern. Andererseits wird davon aus gegangen, dass gerade die Stigmatisierung die Motivation der Menschen untergräbt, sich gesundheitsbewusst zu verhalten, was zu einem kompensatorischen Verhalten und damit zu einer Gewichtszunahme führen würde. Die Unternehmen sind inzwischen auf diesen Trend aufmerksam geworden und reiten auf der Welle. Sie haben einen Nischenmarkt entdeckt, der sich sehr gut verkauft, da Frauen mit Extrakilos sich mit Plus-Size-Models identifizieren. Man könnte aber das Szenario auch auf den Kopf stellen: Waren es die Mode- und Werbeunter nehmen, die die Bewegung ausgelöst haben, indem sie Raum für Models unterschiedlicher Kleidergrössen geschaffen haben?
Ein relativ neues Phänomen, das ihren Ursprung in den USA hat, breitet sich all mählich auch dank der sozialen Medien in mehreren Ländern aus. Es heisst Body Positivity, eine Bewegung, die die Selbst akzeptanz und das eigene Körperbild för dert, wobei Gerechtigkeit, Diversität und Diskriminierung als Nebenerscheinungen auch eine grosse Rolle spielen. Der Grund gedanke ist, dass jeder Körper akzeptiert werden soll, unabhängig von seinem Aus sehen. Die Menschen haben das Recht, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen, wie auch immer er aussehen mag, und seine Eigenheiten anzuerkennen. Ferner soll das Selbstwertgefühl des Einzelnen nicht von unrealistischen von der Gesellschaft aufer legte Schönheitsideale, die je nach Epoche variieren, beeinträchtigt werden. Jahrelang war das vorherrschende opti sche Ideal der weiblichen Schönheit eine schlanke Frau, die an Magersucht grenzte. Auf Modeschauen, in Werbekampagnen und in Bekleidungskatalogen sind immer noch extrem dünne Frauen zu sehen. Doch neben diesen besonders zierlichen Models sind auch dickere Frauen aufgetaucht, die sogenannten «Curvy Models» , ein Aus druck mit einer ausgesprochen positiven Konnotation. Jetzt verschaffen sich Frauen mit ein paar Extrakilos Gehör und bean spruchen ihren Platz in Mode und Werbung, indem sie ihre Rundungen stolz zur Schau stellen. Nach Jahren der Ausgrenzung ist die Zeit der Wiedergutmachung gekom men. Das Übergewicht ist kein Tabu mehr. Modelagenturen fördern jetzt auch üppige Testimonials. Auf dem Pressemarkt gibt es in den USA auch eine ganze Reihe von Zeit schriften für dieses Zielpublikum, wie Plus Model Magazine, Skorch Magazine oder The Curvyfashionista , um nur einige zu nennen.
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STARKVITAL 60+ Nr. 28
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