Stark Vital Nr. 23

Repor tage

Modernes Pilates Die kluge Übungsform für alle von Beatrix Kruger (62) In den 90er Jahren lebte ich in Melbourne und nahm viermal pro Woche am Unter richt einer fortgeschrittenen Ballettklasse teil, die von einem russischen Ballettleh rer geleitet wurde. Eines Tages zerrte ich mir, durch eine übertriebene Rückbeuge, einen Muskel im Lendenbereich. Es folgten monatelange Therapien, die einfach keine Besserung brachten. Eine Freundin machte mich auf ein Pilates-Studio in der Umgebung aufmerksam und schon nach ein paar wenigen Stunden mit gezieltem Training und Stabilisationsübungen fühlte ich eine markante Verbesserung. Dieses Erlebnis stellte die Weichen für meinen zweiten Berufsweg und kurz darauf liess ich mich zur Pilates-Instruktorin ausbilden. Ich hatte schon ein Diplom in klassischer und Reflexzonenmassage, was sich ideal mit Pilates kombinieren lässt. Seither entwickle ich meinen eigenen Therapieansatz, der aus modernem Pilates, Faszien Yoga und Massage besteht. Als ich vor 20 Jahren, in die Schweiz zurückkehrte, war ich eine der ersten Pilates Trainerinnen in Zürich. Damals basierte der Stil und das Repertoire hauptsächlich auf den traditionellen Übungen, die Joseph Pilates (1883–1967) in den späten 20er Jahren für die Balletttänzer in New York praktizierte, weil seine Methode verletzte Tänzer schneller wieder auf die Bühne brachte. Seither hat sich vieles geändert. Therapien wie Rolfing, Osteopathie, medizinische Massage und Feldenkrais hatten einen Einfluss auf die Entwicklung der Pilates-Methode, wie wir sie heute kennen. Die einst, nach genauer Vorlage ausgeführte und sehr dynamische Übungsform wurde nach dem neusten Wissensstand der Anatomie und Physiologie verfeinert und modifiziert, damit sie nicht nur für Top-Athleten, sondern auch für die breite Bevölkerung zugänglich ist. Zu den klassischen Pilates-Prinzipien gehören Kontrolle, Präzision, Atmung, Bewegungsfluss, Zentrierung und Konzentration. Im modernen Pilates werden sie erweitert durch Dehnungen, Ausdauer, gute Körperausrichtung, Koordination und Visualisierung. Vom traditionellen zum modernen Pilates : Die Übungen sind nun langsamer geworden und wohl durchdacht. Sie können den schwierigsten Bedürfnissen angepasst werden und eignen sich auch gut zur Rehabilitation, Prävention von Verletzungen und Rückenbeschwerden. Sie werden teilweise auch in Yoga und Tanz sowie im allgemeinen Fitnesstraining integriert. Auch die anatomische Fehl

rechte Linie durch eine übertriebene Beckenaufrichtung gezwungen. Will man den Körper besser kennen lernen und nicht in einem Fitnesszent rum zahlreiche Repetitionen ausführen oder schwere Gewichte stemmen, hat das moderne Pilates viel zu bieten. Ein ausgewogenes Muskelsystem ist das Resultat – mit langen, aber gut defi nierten Muskeln und einer schlanken Silhouette, was dieses Training speziell auch für Frauen attraktiv macht. Män ner tun Pilates oft geringschätzig als Frauenturnen ab, bis sie dann einmal einer Klasse beiwohnen und mit Schre cken feststellen, wie anstrengend auch die einfachsten Übungen sein können. Die Bauchmuskeln werden im Pila tes als Kraftzentrum oder Powerhouse bezeichnet. Im traditionellen Pilates lag es eingeengt zwischen der untersten Rippe und dem Beckenrand. Heute erstreckt sich das Kraftzentrum vom Zwerchfell über die gesamte Bauch muskulatur bis zur tiefsten Schicht des M. transversus abdominis (querer Bauchmuskel) und die Eingeweide und den Beckenboden. Durch die Flanken atmung (mehr seitlich in die Rippen) und das Anspannen der Bauchmus keln, wird der transversus besonders gut angesprochen. Der Verlauf seiner Muskelfasern formt eine schlanke Taille und einen flachen Bauch. Ist er aktiv, entlastet er die Wirbelsäule besonders effizient. So kann er den Druck auf die Bandscheiben um 50 Prozent reduzie-

einschätzung von Joseph Pilates, dass der Rücken gerade wie ein Bleistift sein müsse, wurde korrigiert. Eve Gentry, Tänzerin und frühe Pilates-Instruktorin, erfand den Ausdruck „neutral spine“ . Dabei wird auf die doppelte S-Kurve der Wirbelsäule während des Trai nings geachtet und sie wird nicht in eine senk

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