SV 34
Fort setzung
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Fortsetzung von Seite 7
Dienstag, 14. November 2023
Region
Ein Irrläufer – oder seiner Zeit voraus? Fitness-Kultfigur Das Leben von Werner Krebs aus Thun liesse sich wunderbar in Hollywood verfilmen. Warum genau das aber nicht zum Mann passen würde, der die Fitness-Welt auf den Kopf gestellt hat.
Marco Zysset
Vom Tellerwäscher zum Millio när: Das ist der amerikanische Traum. Werner Krebs (72) hat diesen Traum realisiert – und das gleich zweimal. Kaum hatte er, der als Verdingkind aufwuchs, seine erste Million beisammen, wurde er in Rechtshändel verwi ckelt, die erste Ehe ging in die Brüche, und er reiste 1985 prak tisch mittellos in die USA ab. Wo er mit 8 Dollar am Tag neu an fing, zusammen mit einem Freund ein Fitnesscenter eröff nete und so den Grundstein leg te für eine Fitnesscenter-Kette, die zur besten Zeit mehr als 200 Millionen Franken Umsatz pro Jahr machte. Werner Krebs kam 1951 in Thun zur Welt. Nach der Schei dung seiner Eltern wurden die drei Brüder getrennt, er wuchs im Schwarzenburgerland bei Verwandten auf. Die Lehre als Maschinenzeichner bei Sulzer in Winterthur absolvierte Krebs mit wenig Begeisterung – schloss aber dann doch mit 5,1 ab. Viel näher als das Lernen waren ihm das leidenschaftliche Leben in Tanzlokalen und vor allem der Sport. Der passionierte Turner gehörte zu den Besten seines Fachs im Land, bis ihn eine Ver letzung stoppte. Nach der Lehre heuerte er im Winter in Mürren als Skilehrer an, während er für die Sommer saison in Winterthur zufällig ei nen Job in einem der ersten Fit nesscenter Europas fand. Es soll te der Anfang sein eines wilden Ritts, der Krebs in den folgenden Jahren durch die Höhen und Tie fen der menschlichen Existenz trug. Im Fitnesscenter traf er auf ei nen Spitzen-Bobfahrer und wur de als Anschieber angeheuert. Woraus sich die Möglichkeit er gab, Anfang der 1970er-Jahre für zwei Saisons als Konditionstrai ner bei den Technikern der Schweizer Herren-Ski-Nati an zuheuern. Gleichzeitig nahm sei ne Karriere in der Fitnessbran che Fahrt auf, Krebs wurde vom Instruktor zum Verkäufer und bald zum gefragten Berater. Er hatte offensichtlich ein Händ chen dafür, die Fitnessangebote technisch und organisatorisch einfach und wirkungsvoll zu ge stalten. So, dass die Kundschaft bald in Scharen dorthin ström te, wo Krebs involviert war. Ei ner, der ihn zurate zog, war der 2021 verstorbene Fitnessguru Werner Kieser, der zu einem en gen Freund und Wegbegleiter Just als der Laden so richtig zu laufen begann, trieben Rechts händel und die Scheidung von seiner ersten Frau Krebs in eine schwere finanzielle Krise. 1985 reiste er zu einem Wegbegleiter aus den Zeiten bei der Ski-Nati in die USA. Das Ziel der beiden: dort zusammen ein eigenes Fit nesscenter aufzubauen. Doch die USA warteten nicht auf zwei Schweizer und ihre Ideen. Krebs musste sich bisweilen mit 8 Dol lar pro Tag, Gratiskaffee und Nachtbuffet in einem benachbar ten Casino über Wasser halten; von Krebs werden sollte. Die grösste Fitnesskette Europas
Werner Krebs vor der historischen Skyline von Thun. Nicht immer fühlte Krebs sich hier so heimisch wie heute. Foto: Patric Spahni
geschlafen wurde auf dem Sofa oder im Center. Weil die ersten Monate hart und die drei Jungunternehmer – die beiden Männer holten noch eine junge Deutsche mit ins Boot – immer wieder in existenziellen Nöten waren, sah sich Krebs ge zwungen, das Wesen und Wir ken der Angebote immer wieder neu zu durchleuchten. Die Er kenntnisse aus dieser Zeit, das Wissen aus der Arbeit als Sanie rer in Europa sowie das Wissen, das Krebs in der Forschungsab teilung eines Fitnessgeräteher stellers aufbauen konnte, sollten den Grundstein legen für eine Rückkehr nach Europa, die von epochalem Erfolg geprägt wer den sollte. Kaum war das erste Swiss Training – so nannten Krebs und seine Geschäftspartner ihre Fit nesscenter – in Nürnberg eröff net, konnten sie Partner gewin nen, welche Betriebe unter dem selben Namen und Konzept als Franchisenehmer aufbauen wollten. Innerhalb weniger Jah re wuchs Swiss Training «zur grössten Fitnesskette in Europa – bevor es danach wieder leiser um den Geschäftsmann wurde und er sich aus dem operativen Geschäft zurückzog». So ist es auf der Website www.fitnessmanagement.de zu lesen, wo die wichtigsten Meilen steine in der Entwicklung von Fitnessketten zusammengefasst sind. «Der findige Unternehmer gründete zahlreiche eigene Swiss-Training-Center, die (...) neben dem klassischen Krafttrai ningsbereich auch Kardiogeräte, Aerobic, Sauna und Solarium an
sich Krebs – wie könnte es an ders sein – selber angeeignet. Und letztlich basiert auch sein Wirken als Videoproduzent und -animateur auf seiner Zeit in der Fitnessbranche. Schon Mitte der 90er-Jahre fing er nämlich an, selber professionelle Instrukti onsvideos zu produzieren, um das Personal der Swiss Trainings auszubilden, die es damals zwi schen Portugal und Shanghai in der ganzen Welt gab. Aus dem Firmenzweig erwuchs einerseits die Firma Leguan Productions, mit der sein Sohn heute erfolg reich den TV-Sender Swiss 1 führt. Andererseits eben Krebs’ eigene Firma Swiftproductions, mit der er Video- und Foto dienstleistungen anbietet. Ein neues Buch in Arbeit Weil die Energiereserven dieses Mannes mit seiner unfassbaren Lebensgeschichte scheinbar end los sind, macht er sich nach dem Gespräch nicht nur auf zu sei nem nächsten Einsatz im Hal lenstadion in Zürich. Werner Krebs arbeitet auch schon an sei nem nächsten Buch. Dieses Mal soll der menschliche Körper im Zentrum stehen – und die Mittel und Wege, diesen so lange wie möglich gesund und bei Kräften zu halten. Krebs verspricht: «Es wird kein Fitnessratgeber wer den. Denn Ernährung und Le bensweise sind mindestens ebenso wichtig.» Was wiederum so gar nicht nach Hollywood und Arnold Schwarzenegger tönt – den Krebs übrigens selbstver ständlich persönlich kennen lernte.
boten – und das zu einem rela tiv günstigen Preis», heisst es da weiter. Vom «Marketing-Genie» zum Autor Es ist eine der wenigen Quellen, die heute noch von Werner Krebs’ Wirken berichten. Doch auch sie erfasst in den paar Sätzen nicht die Intensität, mit der sich das «Marketing-Genie», wie er im Absatz auch genannt wird, ins Zeug legte. Stets mit dem Auto quer durch Deutschland, Öster reich und die Schweiz unter wegs, schlief er oft tagelang kaum, brütete nachts auf Rast stätten über neuen Ideen und eil te von Ort zu Ort, um Probleme zu lösen, weil Franchisenehmer nicht die gleichen Ideen und Werte teilten wie er. Bis er eines Tags auf einer die ser unzähligen Fahrten feststell te, «dass ich auf einem Irrweg war oder einfach meiner Zeit vo raus». So formuliert Krebs sei nen Entscheid, sich aus dem Ge schäft zurückzuziehen, im Buch «Ein Berufsleben für einen ge sunden Körper und mentale Stärke», das er dieses Jahr veröf fentlicht hat. «Die Idee, ein Buch zu schrei ben, kam mir während der Pan demie», sagt Krebs über das 660-Seiten-Werk. In diesem er zählt er mit viel Liebe zum Detail und bisweilen schonungsloser Offenheit, wie er ein Leben auf der Überholspur gelebt hat: Par tys in San Francisco, Charity-Ski rennen mit Clint Eastwood und Mohamed Al Fayed, Begegnun gen mit Weltstars wie den Beach Boys – oder von Wellnessstunden
mit Formel-1-Legenden wie Jacky Ickx, Niki Lauda oder James Hunt. Stets sein eigener Herr Krebs erzählt aber auch, wie er Angestellte ausbezahlte und rausschmiss, um die Gründung einer gewerkschaftlichen Orga nisation zu verhindern. Oder wie er einen Firmensitz aus Wut über «Die Idee, ein Buch zu schreiben, kam mir während der Pandemie.» die Thuner Verwaltung in einen anderen Kanton verlegte. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn restaurierte er zusammen mit ei nem neuen Franchisenehmer tage- und nächtelang Occasions geräte, um ihm einen günstigen Start in die Selbstständigkeit zu ermöglichen. Erwähnt soll hier auch die Episode sein, die davon berichtet, wie Krebs seinem Ex Schwiegervater Jahre nach der Scheidung von dessen Tochter half, die drückende Schuldenlast zu bewältigen. Wie alles zuvor in seinem Le ben hat Werner Krebs auch sein Werner Krebs Fitness-Legende und Autor
Buch in Eigenregie verfasst und realisiert – was in diesem Fall freilich schade ist. Weil es sprach lich zu schlicht gehalten ist, um der atemberaubenden Geschich te gerecht zu werden. Und weil die offensichtlichen Ratgeber Elemente zu wenig klar von der eigentlichen Biografie getrennt sind, was die Lektüre bisweilen schwerfällig macht. So bleibt die Person Werner Krebs bis zum Schluss nicht ganz fassbar – weder im Buch noch im persönlichen Gespräch. Es wird nicht ganz klar, ob der Mann nun einfach Kapitalist ist, der seine Fitnesscenter auf Teufel komm raus auf Effizienz trimmte – und damit letztlich auch optimale Rendite. Oder ob er wirklich je mand ist, dem Gewinnmaximie rung ein Graus und der vielmehr bemüht ist, stets in Bescheiden heit und Demut zu wirken, wie er im Buch wiederholt betont. Und jetzt gross im Showgeschäft Für Letzteres spricht freilich die Tatsache, dass Werner Krebs sich auch nach seinem Rückzug aus dem Fitnessgeschäft keineswegs zur Ruhe setzte. Traf man ihn ei nen Moment lang regelmässig in einem der Restaurants am Müh leplatz in Thun beim Kaffee, hat er sich in jüngerer Vergangenheit wieder rarer gemacht. «Wahr scheinlich, weil ich wieder mehr arbeite», wie er sagt – im Ge spräch in den Räumen einer Thu ner Video-Animations-Firma, für die Krebs arbeitet und Bühnen Animationen für Stars wie Gölä oder DJ Bobo realisiert. Die tech nischen Fähigkeiten dazu hat
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STARKVITAL 60+ Nr. 34
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