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WERNER KREBS Bestseller-Autor Jean-Pierre Schupp im Gespräch mit einem der Ur-Väter in der Fitnesscenter-Industrie

JPS: Werner, Du bist ein Pionier der Fit nessbranche der ersten Stunde. Wie siehst Du die Entwicklung der Fitnessin dustrie? WK: Anfangs der 1970er Jahren gab es in Sachen Körpertraining ein Umdenken. Die Zeit des Bodybuildings bekam, als das Doping überhand nahm, Risse. Es gab ein paar Wenige, die wollten genau wissen, wie der Körper ohne Doping auf Belas tung reagiert. Die damaligen Wissens hungrigen waren allen voran Arthur Jones, Werner Kieser, Josef Schnell und meine Wenigkeit. JPS: Was sind Deine Verdienste aus den Gründerjahren? WK: Ich wurde anfangs der 1980 Jahre zum Gründungspräsidenten der Interes sengemeinschaft zur Förderung der Fit ness in Europa (IGF) gewählt. Dadurch gelang es mir, einen wissenschaftlichen Beirat zu installieren. Ich wollte alles,

WK: Ja, so sagen es leider all die Volksläufer, aber es stimmt halt nicht, es sei denn, das Lau fen dauert nicht länger als acht bis zwölf Minuten und der Puls erreicht innerhalb dieser Zeit ca. 220 Pulsschläge abzüglich Anzahl Lebensjahre. Dieser sogenannte Maximalpuls lässt durch Hyper trophie das Herz stärker werden. Lass es mich so sagen: Je länger das Laufen dauert, desto mehr Abbauendes (kataboles) entsteht für den Bewegungsapparat und desto weniger Aufbauendes ent steht für die Pumpleistung des Herzens. JPS: Es gibt aber doch so viele Laufveranstaltungen und der Beliebtheitsgrad nimmt ständig zu. Können sich so viele Laufbegeis terte irren?

WK: Die Veranstalter von Volksläufen, Marathon oder Tri athlon Veranstaltungen meinen wirklich, sie tun etwas Gutes für die Volksgesundheit. Aber sie irren sich gewal tig. Man muss sich mal so einen Volkslauf anschauen: Da stehen die Eltern an der Laufstrecke, die ihre Kinder anfeuern und nach vorne puschen. Ich bin ganz sicher, keine dieser Eltern würden wissentlich etwas Schlechtes für ihre Kinder tun, oder sie dazu animieren. Sie tun es, weil es viele anderen Eltern auch tun. Viele Anhänger von Volksläufen meinen sogar, das Laufen sei gut für die Persönlichkeitsbildung und reden sich so das Laufen schön. JPS: Werner, Du hast Dein ganzes Berufsleben der Fitness branche gewidmet. Jetzt hast Du Deine Biografie auf 650 Sei ten niedergeschrieben. Was ist so speziell an Deinem Berufs leben, das Dich veranlasst hat, dieses Buch zu schreiben? WK: Mein Leben zeigt auf, wie aus einer schwierigen Kind heit ein erfolgreiches Leben entsteht. Im Buch beschreibe ich zudem, dass die Kommunikation und nicht das Produkt oder Dienstleistung der Schlüssel zum Erfolg darstellt. Dar über hinaus ist im Buch detailliert dargestellt, wie ein Leben nach ethischen Grundsätzen, sowie beruflich und privat harmonisch und glücklich sein kann. JPS: Wie bist Du aufgewachsen? WK: Ich war ein Strassenkind. Nach der Scheidung meiner Eltern wurden wir – ich habe noch zwei Brüder – vonein ander getrennt. Der jüngere Bruder kam nach Biel in eine Familie. Mein älterer Bruder kam nach Thun und ich kam als Verdingbub nach Riggisberg. Als es um den Übertritt in die Sekundarschule ging, hat die Lehrerschaft meine Pflegeel tern gefragt, ob sie denn Wert auf Bildung für mich legen würden? Ich verblieb in der Primarschule und kümmerte mich als 12-jähriger Bub selber um Bildung. Ich erhielt durch meine Initiative jene Bildung, die für Sekundarschüler vorbehalten war und konnte den Beruf des Maschinenbau ers erlernen. JPS: Als ich gelesen habe, wie Du aufgewachsen bist, war ich beeindruckt und wünschte, dass mehr Menschen ihren Erfolg selbst in die Hand nehmen würden.

was durch Training für die Gesundheit aufbauend (anabol) wirkt, mit dem wissenschaftlichen Beirat erarbeiten. Ich wollte allem auf den Grund gehen. Ob es die Temperatur in der Sauna betraf, die Wassertemperatur im Whirlpool, oder welches Krafttraining die wenigsten Gesundheit abbauen den (kataboles) Risiken birgt. Ich wollte einfach alles wissen und in der Fitness Branche verbreiten. JPS: Dieses immense Wissen, das in den ersten Stunden erforscht wurde, ist heute in der Fitnessbranche Allgemein gut? WK: Leider Nein. Es waren unglaubliche Kräfte, die in jede Richtung zu ziehen begannen. Allen voran die Nahrungs Ergänzungs-Industrie, die Gerätehersteller, die Leistungs sportler und, last but not least, die ständigen Veränderun gen der Angebote in den Fitnesscentern. Heute herrscht in der Fitnessbranche ein heilloses Durcheinander. Jeder Fitnesscenter-Betreiber versucht, mit seinem sogenannten einmaligen Angebot, Mitglieder zu gewinnen. Das leider in vielen Fällen mit mässigem Erfolg. Sie beschäftigen sich mit ständigen Angebotsanpassungen, statt sich ernsthaft um dem Nutzen für die Kunden zu bemühen. JPS: Was meinst Du mit dem Nutzen für die Kunden? Wie soll er denn sein? WK: In den Fitnesscentern sollte ein Angebot bereitstehen, das den Kunden einen Gesundheit-aufbauenden (anabolen) Nutzen verspricht. Ich plädiere dafür, dass Sportarten nicht zum Angebot eines Fitnesscenters gehört. Sport ist das ureigenste Betätigungsfeld der Sportvereine. Dort ist Sport wirklich am schönsten. JPS: Kannst Du diesen Zusammenhang noch etwas konkre tisieren? WK: Der Fitnessanbieter hat zur Aufgabe, den Menschen die Kraft, Beweglichkeit und die Ausdauer zu steigern. Der Sportverein verbessert die Leistung in den Sportarten durch ständiges Wiederholen. Die Definition von Leistung ist Arbeit pro Zeit. Die Definition von Training ist die Ermü dung, um Anpassung (Hypertrophie) der Skelettmuskulatur und des Kreislaufsystems auszulösen. Die Vermischung von Sport und Training ist leider in den heutigen Fitnesscentern vorherrschend und dementsprechend kontraproduktiv. JPS: Wie kann ich das verstehen? So werden beim Laufen zwar die Gelenke belastet, aber anderseits wird das Herzkreis lauf-System trainiert?

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STARKVITAL 60+ Nr. 34

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