FT 106 - Jahr 2007

Anti-Aging & Quality of Life

Hochseilakt auf 12’000 Meter Höhe Reisethrombosen – das unterschätzte Risiko

Kontinente rücken zusammen, der Globus ist kleiner geworden. Menschen düsen „mal schnell“ ans andere „Ende“ der Welt.

Flug LX 183 Bangkok - Zürich , ein Nachtflug von gut zwölf Stunden Dauer. Glück gehabt, Sitz 23 A, gleich hinter der Businessklasse, viel Beinfreiheit. Ich lockere ein bisschen meinen Gür tel, ziehe die Schuhe aus und mache es mir bequem. Ich weiss, wie man sicher und bequem reist, fliege ich doch diese Strecke mehrmals jährlich. Ich bin gut gelaunt und bereit für eine lange Nacht im modernen Airbus der Swiss. Mein Sitznachbar 23 B ist ein freundlicher, leicht übergewichtiger Mittsechziger. Pünktlich startet der moderne Jet in den tiefdunklen Nachthimmel und dann wird auch schon bereits ein Aperitif ser viert. „Viel trinken ist wichtig“, instru iert mich mein Nachbar und bestellt gleich mal zwei Büchsen Bier. Ich begnüge mich mit Wasser. Das Abend essen spült mein Reisebegleiter mit zwei Fläschchen Rotwein und anschlies sendem Kaffee sowie einem doppelten Bailey runter. „Man kann nie zuviel trinken während des Flugs“ fährt er mit seinen Gesundheitsratschlägen fort „und Flüssigkeit ist wichtig fürs Blut...“ Wie (Un)Recht er hat, denke ich, habe jedoch kein Interesse an einer längeren Unterhaltung. Doch die Gesundheits lektion ist noch nicht zu Ende, denn der Flüssigkeitsexperte hält mir wenig später ein Päckchen Tabletten vor die Nase: Schlaftabletten aus der Familie der Benzodiazepine, und gleich von der stärksten Sorte. „Wenn ich viele Stun den reise, dann nehme ich dieses hier“ und zeigt mir gleich zwei Stück, welche er wenig später mit einer dritten Büchse Bier schluckt. Auf die mir grosszügig angebotene Schlaftablette verzichte ich jedoch. Auf meine Empfehlung hin, doch auch ein wenig Wasser zu trinken, geht er nicht ein „dann kann ich nicht Was vielen nicht bewusst ist: je länger der Flug und je höher das Alter, desto grösser das Risiko einer Thrombose. Exper ten behaupten, dass es mehr Tote infolge einer Reisethrom bose gibt als Tote durch Flug zeugabstürze.

Dr. Karl J. Neeser, Ph.D. ist Diplomsportlehrer und Doktor der Gesundheitswissenschaft. Er ist ein Kenner der weltweiten Fit nessszene und hat zwei erfolgreiche Fitnessstudios in der Französischen Schweiz aufgebaut und zwölf Jahre lang betrieben. Heute ist er ein inter national anerkannter Anti-Aging Experte (Member Scientific Board European Anti-Aging Medicine EMAA), Professor an der König lichen Universität Bangkok (Mitglied im akademischen Komitee, Verant wortlicher für die Ausbildung Ph.D. am Sportwissenschaftlichen Insti tut) und wissenschaftlicher Berater von Chiva-Som International Health Resorts Thailand (World’s best Spa Destination 2006). karl.neeser@chivasom.com

schlafen, muss zuviel auf die Toilette“. Na ja, manche wissen es eben besser... Kopfschüttelnd bemerke ich, wie er wenig später friedlich in einen tiefen Schlaf versinkt. Er hat keine Ahnung, dass er nun einem hohen Thrombose risiko ausgesetzt ist, sonst hätte er jetzt nämlich Alpträume... Flugpassagiere „trocknen“ aus Viele Passagiere wissen nicht, dass beim längeren Fliegen eine Gesamtsituation entsteht, die man beinahe diabolisch nennen könnte. Sie beginnt bereits bei der engen Sitzposition. Neben dem beengten Sitzen mit minimaler Bein freiheit über viele Stunden, fördert der geringe Luftdruck – er entspricht dem von über 2‘000 m Höhe – die Oedem bildung. Mit anderen Worten: die Men schen schwitzen und „trocknen“ sozusa gen aus. Denn die Luftfeuchtigkeit liegt bei nur 10 Prozent. Soviel Flüssigkeit lässt sich gar nicht zuführen. Während eines sechsstün digen Flugs verliert man mindestens 1,5-2 l Wasser, in unserem Fall 3-4 l. So viel Wasser zu sich zu nehmen ist schon vom Service her kaum machbar. Nun kommt noch dazu, dass Alkohol die Vasodilatation begünstigt, die Weit stellung der Gefässe lässt noch mehr Blut nach unten sacken. Und Kaffee wiederum fördert die Wasserausschei dung und führt dadurch zu einer Ein dickung des Blutes. Etwa 30% der Flug gäste leiden zudem unter Flugangst, was zur Ausschüttung von Stresshor monen führt, die wiederum die Blutge rinnung aktivieren. Ausserdem nimmt die Thrombosehäufigkeit im Laufe des Lebens um den Faktor 100 zu – und für Flugreisen gibt es ja bekanntlich keine Altersbegrenzung.

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