FITNESS TRIBUNE Nr 111 Archiv aus dem Jahr 2008

Medical Wellness

Wie viel Gesundheit darf’s denn sein? Fitness und Gesundheit

passen zusammen. Stimmt das wirklich?

Ganz klar: Körperliche Fitness und gute Gesundheit sind ein harmonisches Team. Aber ist Fitness-Training gleichzeitig immer auch Gesundheitstraining?

Rudolf Weyergans , Jahrgang 1953, studierte in Aachen Soziologie, Psy chologie und Medizin. Bereits während seines Studiums Ende der 70er-Jahre erarbeitete er zusammen mit Body Buildern eine Studie zum Thema “Body Image“. Seine Erkenntnisse, wie sich das „Body Image“ auf das Selbstbe wusstsein auswirkt, führte z.B. dazu, dass in Schweden die Mitgliedsbei träge arbeitsloser Jugendlicher, die Body-Building machten, vom Staat übernommen wurden. Schon früh kam Weyergans mit der Lymphologie, einer speziellen Fach richtung in der Medizin, in Kon takt. Hier erfand der passionierte Motorradfahrer eine Behandlungs methode gegen geschwollene Arme und Beine, bei der mit Hilfe von Luftkammern (in den ersten Pro totypen Motorradschläuche) eine automatische Druckmassage durch geführt wurde. Mittlerweile ist diese Methode der Lymphdrainage aner kannter Standard in der Oedemthe rapie und Krebsnachsorge. Seit Mitte der 80er-Jahre beschäf tigt sich der in den USA promovierte Allrounder auch mit dem Cellulite Syndrom. Zahlreiche Vorträge, Ver öffentlichungen und sein Taschen buch-Bestseller „Aktiv gegen Cellu lite“ brachten ihm den Titel „Cellu lite-Papst“ ein. Mittlerweile gilt der Mitbegründer des Verbandes Medizinische Kos metik e.V. als wichtiger Innovati onspartner im Bereich der Kosme tik, Wellness, Gefässmedizin und Rehabilitation – auch der Sportme dizin. Zu seinem Netzwerk gehört u.a. die Deutsche Luft- und Raum fahrtgesellschaft (DLR), mit der er zusammen die Unterdruckwellenbe handlung („Weltraumröhre“) ent wickelte. Mit seinen zahlreichen Patenten und Auszeichnungen widmete sich Weyergans in den letzten Jahren immer mehr dem Präventionsmarkt. Als Vordenker im Bereich Medical Wellness ist er nicht nur Gesprächs- und Konzeptpartner der professio nellen Anbieter, sondern auch der Krankenkassen und Patientenver bände. Infos unter: www.weyergans.de

Der Schluss liegt nahe. Und deshalb finden wir auch kaum eine Fitnessan lage, die darauf verzichtet, „Gesund heit“ werblich auszuloben. Wer nicht schläft, verspürt allerorten das neue Megabusiness namens „Gesundheits dienstleistung“. Schliesslich hat sich herumgesprochen, dass wir älter wer den als unsere Eltern – viel älter. Und mit zunehmendem Lebensalter wer den die Krankheiten nicht automatisch weniger. Im Gegenteil. Der Wunsch, eines Tages möglichst fit in die Kiste zu springen, wird immer lauter. Er ergreift Millionen von ‚best agers’ , die sich derzeit auf den Weg in die Methu salem-Gesellschaft machen. Und auch Jüngere scheuen nicht davor, sich fit und gesund zu erhalten. Denn wer 1 und 1 zusammenzählen kann, weiss, dass wir uns Krankheiten bald nicht mehr leisten können; schliesslich ist in ein paar Jah ren kaum noch jemand da, der für die hohen Krankheitskosten der Oldies auf kommen könnte. Der „6. Kondratieff“ lässt grüssen. Und was ist Gesundheit? Welchen Bei trag leisten Fitnesscenter, die sich als „Gesundheitsdienstleister“ anpreisen? Werfen wir einen Blick auf die Verfas sung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 22. Juli 1946. Dort hei sst es: „Gesundheit ist ein Zustand voll kommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht die blosse Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen.“ Leider ist der Ansatz der WHO-Exper ten genauso ganzheitlich wie unpräzise. In jedem Fall wird klar, dass Gesundheit als mehrdimensionales Phänomen ver standen wird, das über den „Zustand der Abwesenheit von Krankheit“ hinausgeht. So definierte es auch das

Bundesministerium für Bildung, Wis senschaft, Forschung und Technologie 1997 (BMFT). Wer im Fitnesscenter etwas für seine Gesundheit tun will, wird nur bedingt einen Beitrag zum „vollkommenen ... geistigen und sozialen Wohlbefinden“ erwarten. Hier steht die körperliche Gesundheit im Vordergrund. Glaubt man jedenfalls. Wer genau hinsieht, findet jedoch kaum mehr als Rücken- , Herz- und Kreislauf- (neudeutsch: „cardio“) Training. Doch reichen die Schlagworte, die man allerorten hört, um von „Gesundheitsdienstleistung“ zu sprechen? Wie steht es um die Abwehr der seri ösen, weit verbreiteten Krankheiten und Epidemien? Was ist zum Beispiel mit konkreten Massnahmen gegen Über gewicht? 51 Prozent der Bundesbürger bringen zu viel auf die Waage und satte 14,4 Prozent gelten mit einem Body Mass-Index von über 30 als krankhaft übergewichtig, stellte die Deutsche Adi positas Gesellschaft soeben fest. Klar text: Neun Millionen Erwachsene sind krankhaft fett. Hier hat die Fitnessindu strie ein riesiges Potenzial, über das sie leider hinwegsieht. Als Folge von Übergewicht, falscher Ernährung und zu wenig Bewegung leiden über acht Millionen Deutsche nach Expertenschätzungen an der Zivi lisationskrankheit Diabetes. Mit einer Quote von 10,2 Prozent an der Gesamt bevölkerung liegt Deutschland damit im europäischen Vergleich ganz vorn. Würde im Fitnesscenter ein gesunder Lebensstil trainiert, könnte in rund 70 Prozent der Fälle der Typ-2-Diabetes verhindert oder wenigstens verzögert werden, sagen die Stoffwechselexperten. Also auch hier ein riesiges Potenzial für

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