StarkVital Nr. 33

Lebens erwartung

Der Traum vom ewigen Leben

Zahlreiche Studien bei Tieren zeigen ebenfalls vielver sprechende Resultate und Ansätze. Dass klinische Stu dien an Menschen noch folgen müssen, hindert einige Wissenschaftler:innen nicht daran, gross zu träumen. Allen voran Harvard-Professor David Sinclair, eine Art Pop star der Altersforschung. Er ist überzeugt, dass wir kurz davorstehen, das Rätsel des ewigen Lebens zu knacken – und dass der erste Mensch, der 150 Jahre oder älter wird, bereits geboren sei. Altersforscher Eggel ist eher zurückhaltend. Visionäre wie Sinclair brauche es zwar, um das Forschungsfeld voran zubringen. Wenn man die Fakten anschaue, seien seine Aussagen aber schwierig nachzuvollziehen. Eggel erklärt:

Die Forschung arbeitet mit Hochdruck daran, Alterungs prozesse zu stoppen oder gar umzukehren. Unabhängig davon können wir selbst jetzt schon einiges dazu beitra gen, besser alt zu werden und länger zu leben. Die Suche nach dem Jungbrunnen Unsere Lebenserwartung steigt stetig. Gab es 1919 nur zwei Hundertjährige in der Schweiz, waren es 2021 bereits stolze 1'888 Personen, die dieses Alter erreichten. Das hat vor allem mit besserer Hygiene und medizinischer Versor gung zu tun. Aber: Falten im Gesicht, ein ächzender Rücken, brüchi ger Knochen oder typische Alterskrankheiten wie Diabe

tes oder Demenz, muss das sein? Nein, sind sich viele Forschende einig. «Altern ist ein bio logisches Problem. Wir verstehen die Biologie dahinter so gut, dass wir sie auch beeinflus sen können», so Alters forscher Collin Ewald. Dem Schweizer ist es gelungen, die Lebens zeit von Fadenwürmern zu verdoppeln. Durch eine genetische Muta tion lebten die Würmer nicht nur länger, son dern sie blieben sogar dauerhaft fit. Ähnliches hat Alexan der Eggel geschafft, Immunologe und Alters forscher am Berner

«Die Alters-Weltrekord halterin ist nach wie vor Jeanne Calment (StarkVital Nr. 21) , die 122 Jahre alt wurde. Ihr Rekord besteht bereits seit 25 Jahren.» Laut Eggel ein Indiz, dass es für die maxi male Lebensspanne des Menschen ein Plateau zwischen 120 und 130 gebe. Ohnehin sei es wich tiger, zu versuchen, den gesunden Teil des Lebens zu verlängern – statt das Leben an sich, meinen beide Schwei zer Altersforscher. «Es bringt uns nichts, ein längeres Leben zu haben, aber die letzte

Inselspital und der Universität Bern. Vor drei Jahren gelang ihm und seinem Team der Durchbruch, indem sie den Alterungsprozess von Mäusen im Labor beeinflussten und sogar umkehrten. Dazu wurden alten Mäusen die Immun zellen von jungen Mäusen gespritzt, um sie so erfolgreich zu verjüngen. Das chronologische Alter lässt sich zwar nicht beeinflussen, das biologische Alter – die körperliche und geistige Verfassung – jedoch schon. Aber funktioniert das auch beim Menschen? Chronologisches Alter vs. biologisches Alter Das chronologische Alter, also die Anzahl der Jahre ab der Geburt, sagt wenig darüber aus, wie alt wir wirklich sind, denn mit 80 Jahren kann jemand fitter sein als andere mit 60 Jahren. Altersforschende sprechen deshalb auch vom biologi schen Alter und machen dieses am Alters- und Gesund heitszustand eines Menschen fest. In der Biotech-Branche ist um diese Frage ein regelrechter Hype ausgebrochen. Investoren stecken viel Geld in Start ups. Einer US-Forschungsgruppe soll es sogar gelungen sein, das biologische Alter von Menschen um über zwei Jahre zurückzudrehen. Dafür hat eine Gruppe von neun Männern über ein Jahr lang einen Medikamenten-Cocktail zu sich genommen, unter anderem das Diabetes-Medikament Metformin, dem eine lebensverlängernde Wirkung zugeschrie ben wird. Die Studie erregte Aufmerksamkeit, weckte aber auch Kritik, da sie nur eine kleine Probanden-Gruppe unter suchte und keine Placebo-Kontrollgruppe berücksichtigte.

Phase krank zu verbringen», erklärt Ewald. Laut Forschung haben wir über 70 Prozent sel ber in der Hand, was unser Altern angeht. Den Rest bestimmen die Gene. Doch wie sieht ein Lebens stil aus, der uns gesund altern und länger leben lässt? Die Rolle der Ernährung Gesunde Ernährung sei zentral, wie auch wissenschaftli che Studien zeigen, meint Patricia Chocano, Leiterin der Altersforschung am Institut für Hausarztmedizin der Uni versität Bern. Am besten untersucht ist die mediterrane Ernährung mit viel Obst, Nüssen und Gemüse und mög lichst naturbelassenen Lebensmitteln. Diese Ernährungs form könne sehr positive Einflüsse auf die Gehirnfunkti onen haben und zum Teil sogar Demenz vorbeugen, so Patricia Chocano, und «Eine grosse Harvard-Studie hat gezeigt, dass man mit dieser Ernährungsweise kognitiv bis zu 7,5 Jahre jünger werden kann.» Auch wie oft und wie viel wir essen, scheint wichtig. In Okinawa gibt es die Ernährungsphilosophie «Hara Hachi Bu» (siehe StarkVital Nr. 30, Blaue Zonen), die auf Kalorienrestriktion beruht und dafür steht, nur zu verzehren, bis man zu 80 Prozent satt ist. Auch weniger oft zu essen, mit Fastintervallen, wirkt sich positiv aus, bestä tigt Altersforscher Alexander Eggel. In längeren Perioden ohne Nahrungsaufnahme werde in den Zellen nämlich eine Art Recycling-Prozess in Gang gesetzt. (Quelle: srf)

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