Stark Vital Nr. 5

Werner Kieser Kolumne

Die Verwechslung von Koordination und Kraft Teil 2 von 2

Für die Praxis der Kraftentwicklung bedeutet dies: 1. Trainiere die Kraft so, dass die Zielmuskulatur einen möglichst hohen Reiz erhält. Dies wird er reicht mit koordinativ anspruchs losen Ein- oder Mehrgelenkübun gen gegen hohe Widerstände. 2. Nicht die Bewegung als solche ist der Trainingsreiz für die Kraft/ Muskelmasse-Entwicklung, son dern die Anspannung. Die Bewe gung ist aber wichtig, weil damit der Trainingsreiz in den unter schiedlichen Gelenkwinkeln bzw. Muskellängen gesetzt wird. Für die Entwicklung der Koordination: 1. Wiederhole die Bewegungsauf gabe so oft wie möglich, jedoch nie bis zur Ermüdung. Ermüdung bedeutet temporäre Schwächung und damit das Einschleichen neuer Bewegungsmuster. 2. Sich überlagernde Bewegungs muster ( „Bahnen“) können leicht zu „Entgleisungen“ führen. 3. Schon einmal eingeübte Muster können ohne Muskeltätigkeit, rein mental durchgespielt und damit weiterentwickelt werden ( „Menta les Training“ ). Konsequenz Kraft und Koordination sind zwei unterschiedliche Eigenschaften mit unterschiedlichen Funktionen. Eine Analogie aus der Betriebswirtschaft mag diesen Sachverhalt veran schaulichen. Die Kraft ist das „Ka pital“ des Körpers, mit dem jede Be wegung „finanziert“ wird, denn ohne die Kraft der Muskeln rühren wir uns

westen für Hochspringer, schwe rere Kugeln für Kugelstösser usw.) ist daher kontraproduktiv. Damit werden neue kinästhetische Erinne rungsbilder geschaffen, die sich zum Teil mit dem richtigen Erinnerungs bild überschneiden und zu „Entglei sungen“ des Bewegungsablaufs führen können. 2 Eine persönliche Erfahrung erstaunte nicht nur mich, sondern auch meinen Sparring partner. Ich stand vor ziemlich genau 40 Jahren zum letzten Mal im Ring. Aus Neugier de und Spass ging ich in den „Boxkeller“, ein lokaler Club. Eben hatte ich die Handschu he übergezogen und meinen Partner fixiert, war buchstäblich innert Sekunden ALLES wieder da: das Ausweichen, die Präzision der Schläge, die Reaktion auf die Bewegung des Sparringpartner – kurz, die ganze Palet te der geforderten Aufgaben des ZNS. Wie ein Zeitsprung, als wäre das letzte Training gestern gewesen. Als ZNS (Zentralnerven system). bezeichnet man Nervenbahnen im Hirn und im Rückenmark. Diese verarbeiten, integrieren und koordinieren die durch die Sinne eintreffenden Reize. Das ZNS löst die willkürlichen Muskelkontraktionen aus und dosiert diese..

nicht von der Stelle. Dieses „Kapi tal“ ist kostbar. Deshalb gilt es, sein Verbrauch möglichst tief zu halten. Das ist der Zweck der Koordination, die „Betriebskosten“, d.h. den Ener gieverbrauch, zu senken und damit das „Kapital“ als Reserve zu erhal ten. Der Spitzenskifahrer braucht für dieselbe Strecke viel weniger Ener gie als der Anfänger (und er ist noch schneller). Warum? Weil er dank Ko ordination alle überflüssigen Bewe gungen unterlässt, das heisst, den Weg des geringsten Widerstandes geht. Kraft ermöglicht Fortbewegung und Stabilisierung, aber verbraucht dazu Energie; die Koordination der Ökonomie des Energieverbrauchs. Obwohl Kraft und Koordination zu sammenwirken bei der Lösung von Bewegungsaufgaben, unterliegt ihre Entwicklung (Training, bzw. Übung) anderen Prämissen. „Training“ soll somit nicht mit „Übung“ vermischt werden. Die Imitation von Bewegungsaufga ben – sei von einer Sportart oder einer Alltagstätigkeit – unter er schwerten Bedingungen (Gewichts

Werner Kieser Jahrgang 1940 Lebenslauf und Kontaktaufnahme: siehe Seite 32

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STARKVITAL 60+, Nr. 5

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