Stark Vital Nr. 4

Gesundheits News

Projekt „60 plus“ Gymnastikbänder Praktisch, aber auch funktionell?

Jeder kennt Gymnastikbän dern. Sie sind platzsparend, scheinen einfach in der Handhabung zu sein und auf Grund der unterschiedlichen Stärken bzw. Farben kann die Trainingsbelastung vari iert werden. Aber eignen sich diese Bänder für eine funktionelle Trainingsgestaltung? Dieser Frage wollte ich nach gehen und nahm mir daher vor, am Institut für Sport wissenschaft der Universi tät Hildesheim mit meinem wissenschaftlichen Mitar beiter Daniel Stemberg und dem Diplomingenieur Frank Dreithaler den Trainingswi derstand sowie dessen Ver änderung bei der Dehnung verschiedener Bänder zu ermitteln. Wir verwendeten verschiedene neue Bänder eines namenhaften Herstel lers. Die Messungen mit Zug waagen wiesen sehr starke Unregelmässigkeiten auf, ergaben jedoch folgende Tendenzen: • Der Widerstand eines Gym nastikbands nimmt mit der Dehnung des Bandes zu. • Die Temperatur des Bandes wirkt sich stark auf den Widerstand aus. • Der Widerstand des Bandes nimmt bei häufiger Dehnung ab. • Damit widersprechen die Gymnastikbänder in vieler lei Punkten den anatomi schen Voraussetzungen des menschlichen Körpers.

Die stärksten Muskelgruppen des Menschen befinden sich im proximalen Bereich in der Körpermitte. Auch bei einer Streckung der oberen und unteren Extremitäten liefern diese stärkeren Muskeln die erforderliche kinetische Ener gie. Wird der Arm - zunächst an der Hüfte anliegend – in einem Halbkreis über den Kopf geführt, sind zu Beginn der Bewegung wesentlich mehr und vor allem stärkere Muskeln beteiligt. Das Gymnastikband wider spricht allerdings diesen Gesetzen, da bei dieser Bewegung von körpernah (proximal) nach körperfern (distal) mit einer Dehnung des Bandes der Trainings widerstand ansteigt. Da bei dem Schultergelenk Kraft und Drehpunkt übereinander liegen und es demzufolge ein schwaches Gelenk ist, kann das Training mit dem Gymnastikband bei ent sprechenden Übungen zu Überlastungsschäden des Gelenks führen.

Die Skelettmuskulatur ver fügt bei einer exzentrischen Bewegung über ca. 40 Pro zent mehr Kraft als bei einer konzentrischen. Jede Person kann von einer höheren Plattform herun terspringen (exzentrisch), als sie heraufspringen kann (konzentrisch). Dieses Phä nomen dient in erster Linie dem Schutz der Gelenke. Da bei dem Training mit dem Gymnastikband die exzentri sche Bewegung jedoch nur zu einem geringem Masse Berücksichtigung findet, kann hier der Schutzmecha nismus der Muskeln nicht ideal trainiert und dement sprechend nicht ausgebaut werden. Darüber hinaus beste hen diese Trainingsbänder hauptsächlich aus Latex und können deswegen zu star ken allergischen Reaktio nen führen. Allerdings findet auch diese Tatsache in der Anwendung kaum Berück sichtigung. Diese Ausführungen ver deutlichen, dass der Einsatz von Gymnastikbändern im Kontext von kontrolliertem funktionellem Training sehr kritisch zu sehen ist.

Vincenzo Materia Geboren 31.3.1942 ist Leistungsphysiologe, Fachlehrer für physikalische Trainingsthera pie und Trainingsforscher. Er war am Institut für Sportmedizin in Damp an der Lehranstalt für Phy siotherapie sowie am Institut für Sportwissen schaft der Universität Hildesheim tätig. Materia-Lehrinstitut E-Mail: materia_lehrinstitut@t-online.de

12

STARKVITAL60+ Nr. 4

Made with FlippingBook. PDF to flipbook with ease