Stark Vital Nr. 29
Dr. med. Jürg Kuoni Kolumne
Was sagen Laborwerte über den Patienten aus?
Jürg Kuoni Dr. med. Jahrgang 1945 Lebenslauf und Kontakt aufnahme: siehe www.starkvital.ch
Etwas über seine Gesundheit? Über sein Alter? Oder vielleicht fast gar nichts?
Natürlich geben Blutuntersuchungen bei einer akuten Erkrankung wich tige Hinweise, wo das Problem liegen könnte. Der Arzt hat einen Verdacht und sucht gezielt in dieser Richtung. Die weitaus meisten Laborwerte wer den jedoch bei Gesunden erhoben, die Blutentnahme gehört zum Ritual beim Checkup. Die Anzahl der Resultate, die das Labor aus einer kleinen Menge Blut erheben kann, ist ja unglaublich! Aber gleichzeitig meistens unglaublich sinnlos. Wonach soll man denn bei einem Gesunden suchen? Da er sich über gar nichts beklagt halt nach allem was er haben könnte. Das ist ja der Sinn des Checkup, der Patient will vom Arzt hören, dass er nichts hat, gesund ist. Seinem eigenen Instinkt traut er in unse rer medikalisierten Gegenwart nicht mehr. Und so kommt eine hübsche Stange Laborwerte zusammen, die auch eine hübsche Stange Geld kostet. Um das Wichtigste vorauszunehmen: es gibt keinen einzigen Laborwert, der Gesundheit attestieren kann. Gewisse Werte können, wenn sie im Normalbe reich liegen, gewisse Krankheiten aus schliessen. Mehr nicht. Was heisst denn überhaupt «normal»? Als normal gilt zum Beispiel ein Mittel wert, der bei 10’000 Gesunden erho ben worden ist, inklusive die Streuung nach oben und unten. Nehmen wir statt eines Laborwerts zum besseren Verständnis die Körpergrösse: sind von 10’000 Gesunden 8000 zwischen 1.7 und 1.8 m gross, so ist das «nor mal». Von den restlichen 2000 sind
vielleicht rund 1000 zwischen 1.67 und 1.7 m und weitere rund 1000 zwischen 1.8 und 1.85 m. Als «normal» werden also alle Individuen klassifiziert, die zwischen 1.67 m und 1.85 m gross sind. Nicht mehr «normal» ist also der Kleinwüchsige von 1.65 m oder die Bohnenstange von 1.9 m. Natürlich müsste man zwischen Mann und Frau unterscheiden, aber darum geht’s hier nicht. So sind zum Beispiel 13 – 17g/100 ml Hämoglobin (Blutfarbstoff) normal für den Mann, 12 – 16 g/100 ml für die Frau. Jetzt habe ich als Mann 11.5 g/ 100ml. Also per definitionem eine Blut armut oder «Anämie». Ich fühle mich aber wohl und normal leistungsfä hig. Der Laborwert ist demnach völlig bedeutungslos, eine Behandlung über flüssig. Betrüge der Hämoglobinwert 9.5g/100 ml, so wäre das sicher eine Anämie. Aber das würde ich spüren, ich wäre wahrscheinlich schlapp und energielos. Hätte ich dem Arzt diese Symptome mitgeteilt, hätte er gezielt nach einer Anämie gesucht. So haben die meisten Labor werte bei Gesunden keine Bedeutung, sie sind nutzlos. Wie jede Untersuchung können Laborwerte aber auch schaden. Die ser Aspekt wird völlig vernachlässigt. Schaden kann ein Laborwert dann, wenn der «Normalwert» durch «neue Erkenntnisse» korrigiert wird. Die «neuen Erkenntnisse» stammen aus Studien, die immer einen Sponsor haben, wenn es um eine Behandlung geht. Es ist völlig legitim, davon aus
zugehen, dass der Sponsor einen Ein fluss auf das Studienresultat hat, alles andere wäre Wunschdenken. Ein Beispiel: Bald jeder kennt seinen Cholesterin wert. Sehr viele Gesunde schlucken Medikamente, weil ihr Cholesterinwert «zu hoch» sei. Cholesterinsenker sind ein Milliardenmarkt. Ausweiten kann man diesen nur noch, wenn man den Normalwert senkt und damit die Zahl potentieller Patienten mit einem Schlag EU- und USA-weit um einige Millionen erhöht. Besser gesagt: Millionen von Gesunden zu Patienten macht. Genau dies geschieht seit bald drei ssig Jahren vor unseren Augen. Seit meinem Studium wurde der «Nor malwert» nicht nur einmal gesenkt. Unterdessen gilt sogar, «the lower the better». Ein widersinniger Blödsinn, denn ohne Cholesterin gibt es kein tierisches Leben. Cholesterinsenker oder im Fachjargon Statine senken den Cholesterinwert tatsächlich. Die wichtige Frage ist jedoch: senke ich damit mein Risiko für einen Herzinfarkt oder für einen vorzeitigen Tod? Wenn man die entsprechenden Schlussfol gerungen der Studien liest, trifft dies tatsächlich zu. Analysiert man die Studien genauer und kennt man die statistischen Tricksereien der Studien autoren, so schmilzt dieser Vorteil wie Schnee an der Sonne. Die Studienau toren stehen natürlich im Sold
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