Stark Vital Nr. 29

Gesellschaft

Telemedizin Behandlung per Telefon und Video Der Begriff Telemedizin steht für eine ganze Rei he von Leistungen im Gesundheitswesen, die aus räumlichem, teils auch mit zeitlichem Ab stand erbracht werden – zum Beispiel per Te lefon, über Apps oder das Internet. Durch die rasche Entwicklung der Mobilfunktechnologie haben telemedizinische Anwendungen und Ge sundheits-Apps in letzter Zeit deutlich an Be deutung gewonnen. Beschwerden, Schmerzen, Krankheiten: Die Versicherten greifen immer häufiger auf telefonische Beratungen zurück, um Abhilfe zu schaffen. Dieses Interesse an der Telemedizin explodierte während der Pandemie und scheint bis heute nicht nachzulassen.

Die betreuenden Angehörigen

Die Zahl der betreuenden und pflegenden Angehörigen in der Schweiz ist gross und angesichts der Alterung der Bevölkerung wird sie weiter wachsen. Die Betreuung eines geliebten Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder der Bedarf an Eigenbetreu ung könnte auf jeden von uns früher oder später zukommen. Die Aufgaben, die den betreuenden Angehörigen gestellt wer den, sind vielfältig und erfordern ein hohes Mass an Enga gement, meistens unentgeltlich. Dazu zählen regelmässige Unterstützung eines älteren Elternteils bei der Hausarbeit, Be treuung eines behinderten Kindes ohne Zugang zu professi oneller Beratung, Transportdiensten mit Begleitung zum Arzt, Friseur oder Einkaufen, Sozialversicherungsberatung und psychologische Unterstützung - in den extremsten Fällen bis zur Erschöpfung, ohne die Möglichkeit der Wiederherstellung der eigenen Kräfte. Zusätzlich zu den alltäglichen Problemen können auch finanzielle Schwierigkeiten hinzukommen, wenn eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann. Betreuende Angehörige sind unsichtbar, sie verrichten ihre Arbeit im Stillen, ohne dass dies konkret anerkannt wird. Die Möglichkeit, sich als pflegende Angehörige auszuweisen, hätte mehrere Vorteile, die Einführung eines anerkannten Status würde sich positiv auswirken. Während der Pande mie, als der Zugang zu Krankenhäusern und Einrichtungen eingeschränkt war, hätte ein besonderer Status für pflegen de Angehörige natürlich geholfen. Die Kantone Genf und Waadt haben eine Sonder-Notfall karte für Betreuende schon eingeführt, die dieses Doku ment immer bei sich tragen. Im Falle eines Unfalls zum Beispiel würde das Pflegepersonal auf die Aufgabe des Opfers aufmerksam gemacht und könnte sofort nach einen Ersatz für die Betreuung des bedürftigen Familienmitglieds suchen. Lösungen dieser Art werden jetzt in grossem Um fang gewünscht. In einigen kantonalen Gesetzen ist die An erkennung pflegender Angehöriger bereits verankert. Was jedoch fehlt, ist eine einheitliche offizielle Anerkennung für die Leistung betreuender Angehöriger, wie sie von der Eid genössischen Kommission für Familienfragen und auch in einem hängigen Parlamentsgesetz gefordert wird. Vor diesem Hintergrund ist Pro Aidants zu erwähnen, ein gemeinnütziger Verein, der sich mit Fragen in Zusammen hang mit der Pflege bedürftiger Angehöriger befasst und neue Ansätze für eine integrierte Versorgung erprobt. Insgesamt rund 80 Millionen Stunden unbezahlte Arbeit werden jährlich für die Betreuung und Pflege von nahe stehenden Personen geleistet. Es ist klar: Ohne betreuende Angehörige wäre vieles un denkbar – in der Familie ebenso wie in der Gesellschaft.

Die Zahlen sprechen für sich: mehr als eineinhalb Millionen Telefon- oder Video-Konsultationen im Jahr als vor dem Ausbruch der Pandemie, laut dem Krankenkassenverband Santésuisse . Oder wie Alfred Angerer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften bestätigt, die Zahl der niedergelassenen Ärzte, die solche Be ratungen anbieten, habe sich fast verdreifacht. Es waren nicht nur Menschen mit leichten Be schwerden, die dieses Angebot nutzten, son dern auch Patient:innen mit komplizierten Erkrankungen, die die Fernkommunikation be vorzugten. Dies sind Bereiche, in denen der Einsatz der Telemedizin bisher undenkbar schien. Jung und alt, Frauen und Männer, die Zuneigung zur Tele medizin ist breit gestreut. Grundsätzlich können damit Kosten gesenkt werden, stellt Angerer fest. Durch die Digitali sierung liegt die geschätzte Einsparmarge zwi schen 5 und 10 Prozent. In dieser Hinsicht ist das Potenzial der Telemedizin gross. An Pro blemen mangelt es jedoch nicht. Wenn das Ergebnis darin besteht, dass der Zugang zu mehr Konsultationen und mehr Behandlungen erleichtert wird, werden die Prämienzahler der Krankenkassen leider keinen Gesamteffekt se hen. Eines ist also gewiss: Die Telemedizin wird so schnell nicht aus der intensiven Debatte um die Gesundheitskosten verschwinden.

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