Stark Vital Nr. 25

Gesell schaft

Was ist Lärm überhaupt? Vereinfacht dargestellt ist Lärm Schall, der dazu geeignet ist, Dritte zu beläs tigen, erheblich zu benachteiligen oder zu stören. Schall entsteht prinzipiell durch Schwingungen, die vom Ohr wahrgenommen werden. Ein Lärmpe gel wird auf standardisierte Weise gemessen oder berechnet. Schall und somit auch Lärm sind überall. Schall ist unabdingbar für die menschliche Kommunikation und somit für die soziale Interaktion. Während aufgrund der geschilderten Tatsache der Ausdruck Schall positiv besetzt ist, wird Lärm als negativ empfunden. Das hat vor allem damit zu tun, dass zu viel Lärm zu zahlreichen gesundheitlichen Einschränkungen führen kann. Schäden von dauerhaftem Lärm Seit der Industrialisierung hat sich die Lärmbelastung vervielfacht. Heutzutage sind Feuerwehrsirenen 40 Dezibel lauter als zu Beginn des letzten Jahrhun derts. Ursächlich hierfür ist die Zunahme des allgemeinen Geräuschpegels. Lärm ist ein Schadstoff, der Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Die Evolution hat unseren Organismus so programmiert, dass er Geräusche als Hinweis auf mögliche Gefahrenquellen wahrnimmt. Deshalb kann Lärm ganz grundsätzlich als Stressfaktor bezeichnet werden, welcher den Körper in Alarmbereitschaft versetzt. In der Folge wird das autonome Nervensys tem aktiviert, das mit dem Ausschütten von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol, Herzraten- und Blutdruckanstieg und anderen physiologi schen Prozessen reagiert. Ruhe ist eine wertvolle natürliche Ressource Überaus hohe Schallspitzen beeinträchtigen das Hörvermögen teils beträchtlich. Die Folgen können von Schwerhörigkeit bis zu dauerhaften Ohrgeräuschen reichen. Im Fachjargon nennt man diese Krankheit Tinni tus. Massive Schallpegel sind kein Phänomen aus der Diskothek. Auch im Arbeitsleben können diese auftreten. Nicht ausser Acht zu lassen ist, dass beim Musikhören über Kopfhörer Lautstärkepegel von bis zu 110 Dezibel erreicht werden. Bereits dauerhafte Werte von 85 Dezibel können das Gehör irreparabel schädigen, da dadurch die feinen Sinneshärchen im Ohr (Zilien) zerstört werden. Das Ohr ist nicht in der Lage abzuschalten. Selbst im Schlaf reagiert der Körper auf Signale von aussen. Bereits ab einer nächtlichen Lärmbelastung von 40 bis 50 Dezibel wird der Schlaf gestört. Die Traumzeiten verkürzen sich, die Schlafqualität sinkt. Dies wiederum resultiert in Schläfrigkeit, mangelnder Konzentrationsfähigkeit, einer Schwächung des Immunsystems und schlech ter psychischer sowie physischer Verfassung. Entgegen der läufigen Meinung kann man sich an den Lärm nicht gewöhnen, allenfalls kann man ihn verdrängen. Soziale Folgen Neben gesundheitlichen und wirtschaftlichen haben hohe Lärmbelastun gen auch soziale Auswirkungen. Laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) leben an lärmigen Verkehrsachsen mit der Zeit zunehmend schlecht integrierte, finanziell benachteiligte Menschen, weil ihnen aus Kostengründen weni ger Wohnmöglichkeiten offen stehen. Wer es sich leisten kann, zieht aus besonders lärmigen Wohngebieten weg. Stadt- oder Lärmflucht zu dezen tralen Gebieten ist eine wichtige Ursache des Verkehrswachstums. Dieses wiederum führt zu neuen Belastungen mit Lärm in vormals ruhigen Gebieten. Hohe Kosten Lärm ist mit hohen Kosten verbunden. Dazu zählen Gesundheitskosten für Spitalaufenthalte, Arztbesuche, Medikamente etc. In Wohngebieten mit übermässigem Lärm verlieren Liegenschaften an Wert und Mieteinnahmen bleiben tiefer als anderswo. Die durch Lärm entstandene Kosten bezahlen nicht deren Verursacher, sondern die Betroffenen sowie die Allgemeinheit. Massnahmen Die Europäische Umweltagentur erwähnt Massnahmen zur Bekämpfung von Lärmproblemen: Geräuscharmer Asphalt auf Strassen, geräuscharme Reifen für Fahrzeuge und öffentliche Verkehrsmitteln, bessere Infrastruktur für Elektroautos in Städten, die Förderung von Zufussgehen oder Radfahren, die Umwandlung von Strassen in Fussgängerzonen usw. Eine beträchtliche Zahl von Städten und Regionen hat auch sogenannte Ruhezonen eingerichtet, in denen Menschen dem Stadtlärm entkommen können. Dabei handelt es sich zumeist um Grünflächen wie Parks oder Naturschutzgebiete.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als «einen Zustand völligen körperli chen, seelischen und sozialen Wohlbefindens». Stressfaktor Lärm

Jeder spricht von Lärm und trotzdem versteht jeder Mensch etwas anderes unter diesem Begriff. Für den einen ist die klavierspielende Nachbarin ein Graus, während ein anderer wohlwollend der Melo die lauscht. Feierwütige gehen sogar in Diskothe ken und lassen sich freiwillig mit ohrenbetäubender Musik beschallen. Das moderne Leben ist dem allgegenwärtigen Lärm der menschlichen Aktivitäten ausgesetzt, nicht nur tagsüber. Man denke nur an Baustellen, Lastwagen- Auto- und Motorradverkehr, Eisenbahnen, startende oder landende Flugzeuge in der Nähe, Radios oder Fernseher in voller Lautstärke und dazu vielleicht noch nächtlichen Lärm von Menschen, die sich draussen vergnügen, wobei besonders in der Nacht die Menschen empfindlich auf Lärm reagieren. Dann gibt es noch die subtileren, aber dennoch störenden Geräusche, die wir hören, ohne sie wahrzunehmen. Ein im Jahr 2020 veröffentlichter Bericht der Europä ischen Umweltagentur (EEA) macht deutlich, dass insbesondere der Strassenverkehrslärm nach wie vor ein grosses Problem darstellt, das die Gesund heit und das Wohlergehen von Millionen von Men schen in Europa beeinträchtigt. Viele sind mög licherweise gar nicht der Auswirkungen von Lärm auf ihre Gesundheit bewusst. In der Schweiz füh len sich zwei Drittel der Bevölkerung durch Lärm im menschlichen Alltag gestört und jede siebte Person ist am Tag schädlichem oder lästigem Verkehrslärm ausgesetzt. Achtung: Es wäre eine Fehlannahme zu glauben, dass davon ausschliesslich Grossstädte betroffen seien. Auch auf dem Land ist die durch den Verkehr verur sachte Geräuschkulisse beträchtlich. Nationalstra ssen, Motorräder, Schienennetze und Flugzeuge, nur um einige Lärmquellen zu erwähnen. Auswirkungen auf die Tierwelt Die durch den Menschen verursachte Geräusch kulisse beeinträchtigt zum Teil die Orientierungs fähigkeit der Vögel, das Kommunikationsverhalten zwischen Tieren, die Ortung von Beutetieren sowie die Paarung und die Aufzucht des Nachwuchses. Forscher beobachteten sogar, dass einige Tierarten auf dem Weg zu den Paarungsgebieten Lärmquellen bewusst aus dem Weg gehen. Es ist zu vermuten, dass hohe Geräuschpegel bestimmten Tierarten die Lebensgrundlage nehmen.

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STARKVITAL 60+ Nr. 25

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