Stark Vital Nr. 25

Repor tage

ES WIRD LEISER AUF SCHWEIZER SEEN

Elektroboote erobern langsam aber sicher die Schweizer Gewässer

Jean-Pierre Schupp im Interview mit Bootsbauer Peter Minder von der Firma DESIGNBOATS. JPS: Als ich vor einigen Tagen im Tessiner Fernsehen sah, dass es in ASCONA eine Bootshow gibt, wo man auch ein mit Batterie angetriebenes Boot zeigt, war für mich klar: Dieses Boot muss ich sehen. Gesagt getan: Ica war am Sonntag im Hafen von Ascona und sah noch, wie Sie, Herr Minder, mit einer Gruppe von Interessenten gerade mit dem CHILL in See stachen. Eine Dame stand noch da. Ich fragte Sie, ob dies das Elektroboot war und beim Gespräch stellte sich heraus, dass es Ihre Gattin war, die mir natürlich schon viele Informationen geben konnte. Herr Minder, war das Interesse für Ihr Elektro boot an dieser Bootsausstellung gross? PM: Ja! Das kann man mit Fug und Recht behaupten. Die Leute waren zwar ob der aussergewöhnlichen, extravagan ten Form etwas überrascht. Zwischen «super-genial» und «gewöhnungsbedürftig» hörten wir fast alle Nuancen. Die Mehrheit des Feedbacks aber befand sich glücklicherweise im Bereich von «genial», «mutig», «endlich mal was Neues» , etc.. Zur Fragen bezüglich Elektro-Antrieb aber durften wir fest stellen, dass eine überwiegende Mehrheit darauf enorm positiv reagiert hatte. Wir scheinen mit dem Konzept, den Zahn der Zeit getroffen zu haben. Schnell, laut, stinkend scheint nicht mehr so gefragt zu sein wie früher. Vielmehr reagieren die Leute zuneh mend positiv auf andere Attribute, wie «gemütlich», «stilvoll», «leise», «umweltfreundlich/nachhaltig» und «ökonomisch». Hier scheint sich der Greta-Effekt auch bei Bootsbesitzern bemerkbar zu machen, welche nicht mehr mit hohen PS-Zah len und Spritverbrauchs-Orgien prahlen wollen. Zusammen mit den in der jüngsten Zeit massiv angezogenen Sprit-Preisen ist es zudem nicht mehr angemessen, für einen zweistündigen Bootstrip 150 bis 200 Liter Sprit zu verbrennen. Das mag die Umwelt nicht, die Seeanstösser und Klimasensitiven mögen ebenso wenig und das eigene Portemonnaie leidet dabei schnell mal an Schwindsucht! JPS: Was mich komplett verblüffte war, als ihre Frau mir sagte, dass Ihre Firma DESIGNBOATS sogar so ein starkes Elekt roboot anbietet, das sogar einen Wasserskifahrer aus dem Wasser ziehen und diesen für 20 bis 30 Minuten rein elektrisch angetrieben hinter sich herziehen kann. Können Sie unserer Leserschaft bitte den Unterschied dieser beiden Bootstypen erklären? PM: Tja, so neu ist dies nun auch nicht. Wir fuhren bereits vor acht Jahren mit unseren Booten voll-elektrisch und zwar richtig schnell. Wir hatten diese Antriebslösung selbst – zusammen mit ein paar spezialisierten Netzwerkpartner – erarbeitet und realisiert. Zu jenem Zeitpunkt gab es aber noch keine professi onellen System-Anbieter für leistungsstarke E-Antriebe in Boo ten. Wir hatten mit unserem voll-fahrtüchtigen und überaus schnellen und effizienten Prototypen das ‘proof-of-concept’ geliefert. Wir erachteten es aber nicht als unsere Aufgabe als Bootswerft – und tun es auch heute noch nicht – als Elektro Ingenieure zu agieren. Das Risiko bei derart hohen Strömen auf dem Wasser ist enorm – weshalb die Sicherheitsnor men umfänglich und deren konsequente Einhaltung komplex sind. Wir hatten deshalb gewartet, bis grosse, spezialisierte Gesamt-System-Anbieter mit marine-tauglichen Lösungen am Markt erschienen sind. Seit dies der Fall ist, sind unsere «Ten

der by designboats» in zwei unterschiedlichen Grössen (sechs Meter und acht Meter) in unterschiedlichen elektrischen Kon figurationen im Markt. Die bislang ausgelieferten Elektroboote gingen fast ausschliesslich in regulierte Gewässer wie Öster reich oder Bayern – oder nach Übersee (Lake Tahoe und San Francisco-Bay). Schnelle Elektroboote brauchen starke E-Motoren. Diese beziehen viel Strom und fordern deshalb grosse Akku-Kapa zitäten. Letzteres macht die Boote enorm teuer – und zudem abermals schwerer. Wir befinden uns hier also in einem Teu felskreis- aus welchem auszubrechen mit konventionellen Ansätzen kaum möglich ist. Grosse Akkukapazitäten führen aber auch zu einem – mindes tens auf absehbare Zeit noch fast unlösbarem – logistischen Problem. Motorboote werden fast nur am Wochenende inten siv genutzt, um dann wieder fünf Tage ungenützt rumzustehen. Wenn ich aber am Samstag den Akku runterfahre, erwarte ich, dass dieser am Sonntagmorgen wieder vollgeladen ist für einen weiteren Wochenendtag auf dem Wasser. Dies ist aber mit herkömmlicher Ladetechnik nicht möglich. Gleitfähige Elektroboote können mit marina-üblichen 230V-Steckdosen unmöglich innert nützlicher Frist wieder geladen werden. So sind unsere Elektroboote bislang fast ausschliesslich dort im Einsatz, wo deren Besitzer über eine See-Liegenschaft mit eigenem Bootshaus verfügen und so dort die entsprechende Schnell-Ladeinfrastruktur auf eigene Kosten realisieren kön nen. Bis solche Angebote auch in öffentlichen Häfen/Marinas vorhanden sein werden, wird es vermutlich noch etliche Jahre dauern. Dies ist letztlich auch der Hauptgrund dafür, dass wir mit unserem neuesten Elektroboot ‘Chill’ gänzlich neue Wege gegangen sind. Statt Speed setzen wir auf Gemütlichkeit/ Stil, statt viel Power setzen wir auf lange Betriebszeiten und grosse Reichweiten – aber das Ganze so, dass eine 230V-Steckdose über Nacht reicht, das Boot wieder voll mit Strom zu tanken für einen weiteren ganzen Tag auf dem Wasser. Ein ‘Chill’ kann man bei ökonomischer Marschfahrt acht bis zehn Stunden nutzen. Das Nachladen mit einer einzigen 230V-Standard-Steckdose geschieht innert einiger Stunden über Nacht, sodass das Boot am nächsten Morgen wieder vollgetankt bereitsteht. Je nach geltendem Stromtarif ist eine solche volle Tankfüllung im Bereich von drei bis sechs Franken angesiedelt. Ein Wert, den die meisten heutigen Motorboote schon verbrannt haben, bevor sie überhaupt die Hafenbox verlassen haben!

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STARKVITAL 60+ Nr. 25

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