Stark Vital Nr. 23

Gesell schaft

Lebensabend auf dem Bauernhof statt Altersheim

«Green Care» oder «Care Farming» ist ein Trend in vielen Ländern geworden. In den Niederlanden, Norwegen und Österreich gibt es bereits landwirtschaftliche Betriebe, die älteren Menschen unter diesen Begriffen eine Wohnmöglich keit als Alternative zum Altersheim anbieten. In der Schweiz wird eher die Tagesbetreuung von Senioren angeboten, z.B. beim Hof Rickenbach (LU), wo auch von Demenz Betroffenen einen sinnstiftenden Alltag ermöglicht wird.

Die Tiere werden liebevoll gepflegt, die Bewohner können zusammen mit den Eseln oder den Hunden spazieren. Darü ber hinaus können die Gäste bei kleinen landwirtschaftlichen Arbeiten helfen oder treffen sich abends zum Grillen. Das täg liche Leben spielt sich wie in einer Grossfamilie ab, jeder ist in irgendeiner Weise beteiligt, niemand wird allein gelassen, es sei denn, jemand ist gezwungen, wegen Krankheit im Bett zu bleiben. Den Bewohnern wird so immer das positive Gefühl vermittelt, Teil eines lebendigen, grossen Ganzen zu sein. Für Einsamkeit gibt es keinen Platz. Statt Ausgrenzung wird Inklu sion in die Praxis umgesetzt.

Eine Alternative zum Altersheim Die Infrastruktur ist nicht wie in Altersheimen mit Fluren und Einzel- oder Doppelzimmern gestaltet, die an Studentenwohn heime erinnern. In diesen Unterkünften gibt es eine Vielfalt an Wohnmöglichkeiten, wie z.B. Selbstversorgerwohnun gen, betreutes Wohnen, Wohngemeinschaft, Pflege, je nach Wunsch und Bedarf sind verschiedene Lösungen möglich. Was passiert, wenn Pflege notwendig wird bei fortgeschritte ner Demenz? In den Hofgemeinschaften leben ebenfalls Pfle gebedürftige. Pflegekräfte kümmern sich um die Gäste: sie müssen Gelassenheit und Fingerspitzengefühl haben, müssen sofort verstehen, wo und wie sie gebraucht werden, in neuen und unvorhergesehenen Situationen Hilfe und Unterstützung anbieten, die Bedürfnisse der Bewohner entschlüsseln oder vorhersehen, ohne den Überblick zu verlieren. Zusammen mit dem Pflegedienst und dem ortsansässigen Hausarzt wird so vieles in der gewohnten Umgebung möglich, was zuhause oft kaum noch zu bewältigen ist. Altern in Würde und nicht in Einsamkeit In Zeiten des demographischen Wandels und Hof-Sterbens ist das Konzept «Senioren-Bauernhof» jedenfalls nicht nur eine attraktive und kostengünstige Alternative für ältere Menschen, sondern auch eine willkommene Hilfe für Bauernhöfe, die einer möglichen Schliessung ausgesetzt sind, und für die Dörfer insgesamt. Die Grundstimmung ist generell sehr gut. Es kann auch vor kommen, dass jüngere Generationen im Bauernhof anzutref fen sind, weil sie dort wohnen oder arbeiten. Diese Dynamik fördert den menschlichen Austausch zwischen den Generati onen und stärkt die Solidarität gegenüber älteren Menschen. Die Forscher sind überzeugt: Betreuungsangebote für Senioren auf dem Land werden zunehmen.

Senioren-Wohngemeinschaften ermöglichen einen Lebens abend in familienähnlichen Strukturen mit dem typischen All tagsleben auf dem Land. Die Betreiber mit Pioniergeist wollen den Bewohnern im fortgeschrittenen Alter mehr Eigenstän digkeit und Lebensqualität bieten, auch wenn sie gebrechlich oder dement sind. In dieser Hinsicht sind positive Effekte der landwirtschaftlichen Umgebung vor allem auf Demenzkranke bereits nachgewiesen. Es handelt sich um kleine Strukturen mit in der Regel acht bis zwölf Plätzen, die selbst verwaltet und stark in das soziale Netz des Gebiets integriert sind und deren Hauptzweck darin besteht, die Bewegungsfreiheit und Selbstbestimmung der Bewohner zu bewahren. Wenn eine ältere Person nicht mehr von selbst zurechtkommt, weil ihre Kräfte nachlassen, oder sich einsam fühlt, kann sie sich für eine solche Lösung entscheiden. Anstatt im Altersheim die ganze Zeit herumzusitzen, ist es doch besser auf dem Land zu wohnen und sich tagsüber am Hofleben zu beteiligen. Im Bauernhof, in einer gemütlichen familiären Atmosphäre, bekommt man in der Tat so viel Hilfe wie nötig und wenn ein Gast noch gut in Form ist, kann er im Haushalt mithelfen. Dar über hinaus ist es durchaus möglich, nach Wunsch auch am Dorfleben teilzunehmen. Ein weiterer Vorteil dieser Wahl ist, dass die Kosten wesentlich geringer sind als im Altersheim. Das Alltagsleben ist authentisch, jeder Gast kann sich an ver schiedenen Aktivitäten beteiligen, z.B. an der Zubereitung von Mahlzeiten. Treffpunkt für die Bewohner auf dem Hof ist oft die grosse Wohnküche, in der täglich für alle gekocht wird, wenn die Gäste das nicht mehr selbst machen können oder möch ten. Auch Putzen und Wäsche waschen kann individuell dazu gebucht werden. Im Stall sind Esel und Pferde untergebracht, im Haus leisten Hunde und Katzen Gesellschaft. Die Pflege übernimmt bei Bedarf ein Pflegedienst. Leben wie in der Grossfamilie

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STARKVITAL 60+ Nr. 23

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