Stark Vital Nr. 22
Gesund heit
Verbesserte Selbstregulation durch Mental Physio Training Sportliche Aktivität nimmt zu, psychische Belastungen aber auch
Verbesserte Selbstregulation durch Mental Physio Training. Die sport liche Aktivität nimmt zu – psychi sche Belastungen aber auch. Eine Studie des Robert Koch Instituts belegt: Die Menschen in unserer Gesellschaft werden immer aktiver – 67 % der Männer und 65 % der Frauen sind sportlich aktiv. Doch auch wenn immer mehr Menschen durch verschie denste Kampagnen bereits zur Aktivität bewegt wurden, steigt der Arbeitsausfall durch psychisch bedingte Krankheiten stark an. Die Argumentation liegt nahe, dass der Faktor Arbeitsausfall noch stärker anstiege, wenn sich nicht so viele Menschen bewegen würden. Dies aber ist eine Hypothese ohne plausible Grundlage, oder wie man früher in der Philosophie sagte, kein gültiger Schluss. Psychischer Stress durch Sport? Gültig wäre die Schlussfolge rung, dass Bewegung und Sportaktivität kein Mittel der Wahl sind, oder kein spe zifisches, um der steigenden Tendenz von psychischer Belastung im Alltag entgegenzuwirken. Ganz im Gegenteil ist es so, dass für viele Menschen kör perliche Aktivität, vor allem Sport, noch eine zusätzliche Belastung darstellt, die sie in ihrem Alltag organisieren müssen. Ich gehe noch weiter und behaupte: Wenn Menschen sich zur Bewegung immer wieder überwinden müssen und nur aus der vom Kopf gesteuerten Logik des Gesundseins aktiv werden und die Bewegung nicht aus sich heraus aktivie ren aus dem inneren Gefühl, Selbstver ständnis, ja, der Lust sich zu bewegen, werden wir weiter steigende psychische Belastungen vorfinden. Die verlorene Selbstregulation Also ist Bewegungsaktivität unter den derzeitigen Bedingungen bezogen auf den Empfindungszustand der Men schen zweifellos ein zusätzlicher Fak
tor der Belastung. Zum derzeitigen Empfindungszustand der Menschen in unserer heutigen Gesellschaft gibt es aufschlussreiche Forschungsergeb nisse. So kam eine prospektive Inter ventionsforschung von Professor Ronald Grossarth-Maticek, die er mit 30’000 Haushalten durchgeführt und in seinem Buch „Selbstregulation, Autonomie und Gesundheit“ veröffentlicht hat, zu dem Ergebnis, dass sich nur 21 % der Frauen und 14 % der Männer in stressigen und belastenden Situationen selbst wieder regulieren können, das heisst, durch ihre „Eigenaktivität“ Bedingungen her stellen können, die in unterschiedlichen Lebensbereichen zu anhaltendem und immer wiederkehrendem Wohlbefinden führen. Diese Studien von Professor Grossarth-Maticek decken sich mit mei nen prospektiven Interventionsforschun gen. Auch ich habe durch Interventio nen sehen können: Menschen, deren selbstregulatorische Fähigkeiten intakt sind, haben nicht nur mit dem Kopf ver standen, dass Bewegung ein Lebens elixier ist, sondern in ihrem Körper ist ein selbstverständliches Hinstreben zu Bewegung für sie ganz von selbst fühl bar. Solche Menschen fühlen sich inner lich sicher, erleben ihr Leben als sinner füllt, leben gerne, erleben immer wieder Lustgefühle und sind hochmotiviert, sich persönlich weiterzuentwickeln. Zur Bewegung über Bewegung Wenn also das Mittel, den Menschen durch Massnahmen von aussen an ein notwendiges Muskeltraining heranzutra gen oder ihm die Notwendigkeit ande rer Bewegungsaktivitäten sicht- und fühlbar zu machen, nichts nützt, um Menschen nachhaltig „zur Bewegung zu bewegen“, und dies auch als spezi fisches Mittel ungeeignet ist, jedenfalls in der jetzigen Situation der Menschen in unserer heutigen Gesellschaft – was hilft dann? Wir brauchen also ein Mit tel, das angemessen der psychosozia len Gesundheit begegnet. Was könnte das sein, unter den gegebenen Umstän den? Der erste Gedanke mag vielleicht sein, einen Psychologen einzubeziehen und die Menschen in therapeutischen Gesprächen zu erreichen. Aber nein, es ist tatsächlich viel einfacher: Der Zugang zur Bewegung erfolgt über Bewegung… Moment, werden einige nun sagen, aber
wir haben doch gerade erklärt, dass dies ein unzureichendes Mittel ist. Ja, im oben beschriebenen Zusammenhang ist dies in der Tat kein Mittel. Und doch, der Weg dahin, dass Menschen sich aus eigenem Antrieb wieder mit Freude bewegen, erfolgt über eine Art der Bewegung. Bevor ich dies näher erläu tere, zunächst ein paar Gedanken zu jener Bewegung, die vielen Menschen zur Belastung geworden ist, obwohl sie doch so wichtig für unsere Gesundheit und unsere körperlichen Funktionspro zesse ist. Mens sana in corpore sano? Wie gesagt, dass Bewegung und sport liche Aktivität einen positiven Fussab druck hinterlassen auf unserer Gesund heit, ist ohne Frage. Seien es positive Auswirkungen auf Diabetes, Herz-Kreis lauf-Probleme, Übergewicht oder viele andere funktionsrelevante Zivilisations krankheiten, wo Bewegung effektiver ist als jede Tablette. Hier leisteten der erste und zweite Gesundheitsmarkt schon besonders gute Dienste. Und jede Inves tition in diesem Markt ist lohnend. Immer mehr Menschen werden sich der Mög lichkeit, auf ihre körperliche Funktion Einfluss zu nehmen, immer bewusster. Was aber ist mit dem Markt der psycho sozialen Gesundheit, jener Gesundheit, von der Experten sagen, sie fördere auch jede körperliche Genesung? Seit mehr als 20 Jahren bewegt sich dieser Bereich der psychosozialen Gesundheit nun ins Bewusstsein der Menschen. Noch immer ist er dort aber nicht ganz angekommen, glaubt man doch nach wie vor, dass ein gesunder Körper einen gesunden Geist hervorbringt. Nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis sen scheint es aber umgekehrt zu sein: Ein gesunder Geist zieht einen gesun den Körper nach sich. Im Grunde aber denke ich, es ist ein sich gegenseitig bedingendes und unterstützendes Sys tem. Gesunden Geist fördern, aber wie? Wenn dies so ist, dann sollten uns doch eher die Methoden oder Fähigkeiten interessieren, die den gesunden Geist ausmachen oder fördern. Eigentlich ist es einfach zu beschreiben. Es geht um die Erhaltung oder Stärkung der Fähig-
Jürgen Woldt Jahrgang 1948 Lebenslauf und Kontaktaufnahme: siehe www.starkvital.ch
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STARKVITAL 60+ Nr. 22
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