Stark Vital Nr. 19

Repor tage

Dritter Teil der dreiteiligen Kolumne Meditation

die Alarmrufe ihrer Artgenossen nicht mehr verstehen und sind selbst nicht mehr in der Lage zu warnen. Sie sind stumm und taub gezüchtet worden. Das heisst, sie können keine Duftstoffe mehr aussenden, um Helfer anzulocken, die Schädlinge fressen oder vertreiben sollen“ , sagt Stefano Mancuso in einem Vortrag ( auf YouTube: „La modernità delle pian te: sensibilità e intelligenza senza cervello“ ). Das klingt wie eine wahre Metapher in die aktuelle Zeit! Aber auch das Bild des gesunden Waldes ist eine Metapher: Indem wir, vertikal ausgerichtet, wie ein Baum, die Verbindung mit der inneren Quelle spüren und meditativ erfahren und aus dieser inneren Wahrheit heraus leben, wirkt dies auch auf die Umge bung und weiter, letztlich auf die gesamte Menschheit. Meditation als geistige Ausrichtung ist nicht abhängig von horizontalen Fakto ren wie Zeit, Raum und Form. Dennoch haben für den Menschen Struktur, Regel mässigkeit, Verbindlichkeit und die Frei heit zur Disziplin eine wichtige Bedeu tung. Sie sind ein Anker in unserem äusseren Tagesablauf. Empfehlenswert ist es, die Meditation ähnlich wie einen Waldspaziergang zu erleben. Es gibt kein Ziel zu erreichen. Alles ist da. Wir geniessen die frische Luft, den fein wechselnden Duft zwi schen den Bäumen, den Pflanzen, der Erde und des Wassers. Es gibt keine Auf gabe zu erfüllen. Die Ausrichtung, wie sie uns von den Bäumen gezeigt wird, ist eine symboli sche Entsprechung für die innere Zent rierung, wo Körper, Seele und Geist auf einer „Achse“ zusammen schwingen. Wir haften nicht an der äusseren Lebens geschichte. Wir denken in der Meditation nicht an die Vergangenheit und blicken nicht ängstlich oder erwartungsvoll in die Zukunft. Wir sind in der Kraft der Gegen wart in der Unmittelbarkeit des Hier und Jetzt.

und kollektive Heilung Erleben, dass wir Teil des Ganzen sind

Meditation ist eine individuelle, ganz persönliche Verbindung mit der inneren Quelle, aber das heisst nicht, dass Meditation aus schliesslich eine ichbezogene Tätigkeit ist. Das Individuelle hat immer auch eine zwischen menschliche und kollektive Wir kung. Ein Beispiel aus der Natur Dass gesunde Individuen ein gesun des Kollektiv bilden, sehen wir überall in der Natur. Als Beispiel möchte ich hier die Bäume und den Wald anführen. Wir haben schon viel von der „Intelligenz“ der Pflanzen gehört. Gesunde Pflanzen fühlen und kommunizieren intelligent. Sie haben ein Bewusstsein. Der italienische Pflanzenneurologe Stefano Mancuso von der Universität Florenz beschreibt, wie Bäume über Blätter und Wurzelspitzen „lauschen“ und einander „zuhören“ und ständig Informationen aus der Umwelt aufnehmen und diese verarbeiten und dann entsprechend „handeln“ . Mancuso entdeckte, dass die Bäume Informationen auch durch die Luft sen den und auf diese Weise miteinander kommunizieren. Hauptsächlich ist es ein gasförmiges Molekül (Äthylen), das in sehr vielen Situationen von den Blättern der Bäume ausgeschüttet wird. Die Bot schaften können durch den Wind über mehrere hundert Meter weit verbreitet werden.

Bäume kommunizieren durch die Luft, und sie kommunizieren unter der Erde. Für den regen Austausch unter der Erde sorgt das immens weite, dynamische Netz der Wurzeln, das „wood wide web“ . Beim Informationsaustausch innerhalb des weiten Wurzelnetzes spielen symbi otische Pilze (Mykhorrizen) die entschei dende Rolle. Nimmt die Wurzel Informa tionen über schädliche Bakterien, Viren oder Pilze auf, so kann sie Abwehrsys teme aktivieren oder ihr Wachstum fle xibel auf die Lage einstellen. Die Bäume „belauschen“ sich. Sie fühlen einander über einen weiten Wahrnehmungskreis. Bäume können Veränderungen in ihrer Umwelt erkennen, darauf reagieren und auf diese Weise die Erhaltung ihrer Art gewährleisten.

Alle Gemälde: von Silvia Siegenthaler

Es stimmt nicht nur Pflanzenneurologen sehr nachdenklich, dass manche Arten von Kulturpflanzen die Fähigkeit zur Kom munikation verloren haben. „Sie können

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