Stark Vital Nr. 18

Gesundheit

Immunoseneszenz Wenn das Abwehrsystem nachlässt Mit fortschreitendem Alter schwächt sich der Organismus und die physiologischen Funktionen verlangsamen. Der menschliche Alterungsprozess findet auf mehre ren Ebenen statt: Knochen, Gewebe und Organe sind zunehmend davon betroffen. Die Alterung beeinträch tigt somit auch das Immunsystem, das die Aufgabe hat, uns vor dem Angriff von "fremden oder äusseren Feinden" zu schützen: Keime, Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten, Krebszellen und transplantierte Organe und Gewebe. Die Reaktion des Organismus auf externe Bedrohungen wird nach und nach langsamer und inef fizienter. Dieses Phänomen heisst "Immunoseneszenz" , vom Lateinischen "immunitas" , Resistenz, Schutz, Unemp fänglichkeit und "senescere" , altern, also das Alte rungsprozess der Immunzellen. Die Rolle der T-Zellen Die Immunoseneszenz ist verantwortlich für die erhöhte Anfälligkeit älterer Menschen für Infektionskrankheiten und Krebserkrankungen. Die unvollständige Funktion ihres Immunsystems hängt im Wesentlichen mit der abnehmen den Funktion der sogenannten T-Zellen (T-Lymphozyten) zusammen, die im Knochenmark entstehen und in der Thy musdrüse (T) ausreifen. Diese werden mit der Zeit langsa mer und in geringerem Umfang produziert. Ihre immunolo gische Gedächtniskapazität verschlechtert sich, wodurch die Reaktion von älteren Menschen auf Infektionen schwer fälliger und weniger effizient wird. Dieser Immunumbau führt u.a. dazu, dass neue Erreger wie Grippe oder andere Viren schlecht erkannt und abgewehrt werden.

"Die Infektionshäufigkeit und die Infektionsverläufe sind bei älteren Menschen häufig schlimmer oder sogar dra matischer. Das zeigt sich übrigens auch in der Reaktion des Körpers auf eine Impfung. Wenn wir beispielsweise einen Grippeimpfstoff einem älteren Menschen ver abreichen, dann ist der weniger gut geschützt im Ver gleich zu einem jungen Menschen" . Eine nachlassende Immunabwehr erhöhe jedoch nicht nur die Anfälligkeit für Infekte, sie steigere auch das Risiko für Herz- Kreislaufer krankungen und begünstige die Entstehung von Krebs. Wei ter seien auch Entzündungsphänomene eng miteinander verknüpft. Das Verhältnis zwischen Sport und Immunität Eine Studie der Universität Giessen untersucht den Ein fluss von Sport auf eine bessere Immungesundheit im Alter. Den Studienleiter Karsten Krüger interessiert, wie genau die Immunabwehr durch Sport verbessert werden kann. Körperlich aktive ältere Menschen haben z.B. mehr T-Zellen als ihre sitzenden Zeitgenossen. "Wir können behaup ten, dass Bewegung, wenn sie mit der richtigen Inten sität durchgeführt wird, eine wertvolle Hilfe für unser Immunsystem ist und folglich die Impfstoff-induzierte Reaktion besser modulieren kann" , so Prof. Krüger. Die Gegenoffensive Doch – das ist die gute Nachricht – dagegen kann man (und sollte man) etwas tun. Mit Bewegung und Krafttrai ning kann man dagegen steuern. Prof. Krüger hat bereits in mehreren Studien den protektiven Einfluss von Sport auf eine bessere Immungesundheit im Alter aufzeigen können. Menschen, die regelmässig körperlich aktiv sind, können den Alterungsprozess des Immunsystems leichter kompen sieren und verfügen über deutlich bessere Immunfunktio nen als Menschen, die sich kaum oder gar nicht bewegen. Verschiedene Belastungstests geben Aufschluss auf die körperliche Kondition einer älteren Person. So z.B. "lässt der Handkrafttest Rückschüsse auf den muskulären Status der Probanden zu. Wir gehen davon aus, dass ein verbesserter muskulärer Status auch mit einer ver besserter Immunabwehr verbunden ist", so Prof. Krüger. Die spezifischen Eigenschaften - Modus, Dauer und Intensi tät - von regelmässigem Training, die die grössten immunsti mulierenden Effekte hervorrufen, müssen noch identifiziert werden. Insgesamt hat körperliche Aktivität eine potenzielle präventive Rolle, insbesondere für die am meisten gefährde ten Gruppen. In seinen Untersuchungen stützte sich Prof. Krüger auch auf Prof. Bente Klarlund Pedersens Studien zu Myokinen. DS

Auch das Verhältnis der Immunzellen verändert sich. Junge sogenannte naive T-Zellen werden weniger produziert, dafür gibt es mehr ausdifferenzierte T-Zellen, die auf bekannte Erreger programmiert sind. Die Fähigkeit des menschlichen Immunsystems auf neue Krankheitserreger zu reagieren, hängt jedoch massgeblich von sogenannten naiven T-Zellen ab. Im Blutbild kann man entnehmen, wie das Verhältnis zwischen naiven und ausdifferenzierten T-Zellen ist. Je mehr naive T-Zellen desto besser die Immunabwehr. Die Gefahr der Pandemie Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie ist klar geworden, dass die über 65-Jährigen am meisten betroffen waren (sind). Dies liegt nicht nur an der Komorbidität, dem Vor liegen von Vorerkrankungen, sondern auch an der alters typischen Schwächung des Immunsystems. Dazu meint Prof. Karsten Krüger, Leiter der Leistungsphysiologie und Sporttherapie an der Justus-Liebig-Universität Giessen:

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