Stark Vital Nr. 15

Gesundheits News

Die unzähligen Vorteile des Gehens

Was die Wissenschaft darüber weiss und warum es uns so guttut In seiner populärwissenschaftlichen Abhandlung, zeigt er anschaulich und unterhaltsam, warum der aufrechte Gang entscheidend für unsere Evo lution war, von seinen Ursprüngen tief in der Zeit über die Art und Weise, wie das Gehirn und das Nervensystem den mechanischen Zauber des Gehens aus üben, bis hin zum Verständnis, wie es unsere Gedanken befreien kann und die sozialen Aspekten, die dabei eine Rolle spielen. «Beim Gehen kann man sich selbst entfliehen, dieser Nicht-Ego-Fokus ist gesund. Wir sollten mehr Zeit damit verbringen, nicht an uns selbst zu den ken». Der Professor für experimentelle Hirnfor schung am Trinity College Dublin analy siert unser Verhalten beim Gehen, z.B. man geht im Durchschnitt umso schnel ler, je grösser die Stadt ist. Er erforscht, wie das Gehen sich auf die geistige Gesundheit und die Kreativität auswirkt. Das « soziale Gehen» ist in den evoluti onären Erzählungen unterschätzt wor den: Es hat sich zu einem grossen Teil für und durch soziale Zwecke entwickelt und hat unseren Geist befreit. Letztlich entsteht eine Überlegung darüber, wie das gemeinsame Gehen (Demonstrati onen, Umzüge) mit einer Politik verbun den werden kann, die unsere Welt zum Besseren verändern könnte. O’ Mara meint, viele Wissenschaftler und Schriftsteller spazieren, um ihre Gedan ken zu ordnen, bevor sie sich an ihre Schreibtische setzen. Einige Studien hät ten sogar gezeigt, dass Menschen dop pelt so gut mit neuen Ideen aufkommen können, wenn sie vorher spazieren. In diesem Sinne hatte sich auch der Phi losoph Jean-Jacques Rousseau geäu ssert: „Ich kann nur beim Gehen nachdenken. Bleibe ich ste hen, tun dies auch meine Gedanken“. Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard: „Verlieren Sie vor allem nicht die Lust dazu zu gehen: ich laufe mir jeden Tag das täg liche Wohlbefinden an, und entlaufe so jeder Krankheit; ich habe mir meine besten Gedanken angelaufen, und ich kenne keinen Gedanken, der so schwer wäre, dass man ihn nicht beim Gehen loswürde.“

Was ist das Merkmal, das uns von allen anderen Lebewesen unterschei det? Ganz oben auf der Liste steht in der Regel die Fähigkeit zu denken und zu sprechen. Dies sind zwei exklusive Vorzüge des Menschen, daran besteht kein Zweifel. Die menschliche Sprache und die menschlichen Gedanken ent wickelten sich auf so einzigartige Weise, gerade als wir begannen, aufrecht zu gehen. Es ist diese besondere Fähigkeit, die es uns zum Teil ermöglichte, nach geeigneten Lebensräumen zu suchen und uns schlussendlich über die ganze Welt auszubreiten, bis zu weit entfernten Gebieten. Der aufrechte Gang hat uns eine Reihe von Vorteile gebracht. Menschen sind mobile Wesen, in jeder Hinsicht. Gehen ist wichtig für unsere Gesundheit. Lange und häufig Gehen hat ungeheure Vorteile für Körper und Geist. Es hilft, belastete Organe zu schützen, begüns tigt die Passage der Nahrung durch den Darm, senkt den Blutdruck, hilft gegen Schlaflosigkeit, lindert Entzündungszu stände und stärkt unter anderem das Immunsystem. Oft wird aber die Wir kung auf das Gehirn vergessen: Regel mässiges Gehen wirkt auch als Bremse für die Alterung unseres Gehirns, egal ob jung oder alt, und regt die Bildung neuer Nervenzellen an (Neurogenese), da unser wichtigstes Organ besser mit Sauerstoff versorgt wird, was wiederum das Gedächtnis und die kognitive Fähig keit verbessert. Allerdings, was das Gehen betrifft, haben sich die Zeiten im Zuge des technischen Fortschritts ver ändert. Evolutionsbiologisch müssen wir im Gegensatz zu unseren Vorfahren nicht mehr grosse Strecken zurückle gen, um an Nahrung zu gelangen. Der volle Kühlschrank steht ja in der Küche. Wenn Gehen eine Art «Medizin» ist, was ist dann die richtige Dosierung die ser Therapie? Wir sprechen oft von den berühmten 10.000 Schritten pro Tag, aber die korrekte Mengeneinheit sind eigentlich Minuten. Laut der Weltge sundheitsorganisation (WHO) wäre es optimal, mindestens eine halbe Stunde am Tag schnell zu gehen, an 5 Tagen in der Woche, um die zahlreichen gesund heitlichen Vorteile zu geniessen. Gehen befördert das Wohlbefinden Auf emotionaler Ebene reduziert das Gehen Stress, schlechte oder depres sive Stimmungen und sogar Aggres sivität. Warum? Das Gehirn schüttet sogenannte Endorphine aus, vom Kör per selbst produzierte (endogene) Mor phine, derer biochemische Wirkung für

Glücksgefühle sorgt. Ein Spaziergang an einem schönen Ort, zum Beispiel im Wald oder auf der Promenade am See oder am Meer, löst eben die Freisetzung von Endorphinen aus. Darüber hinaus wird das Gehen auch mit erhöhter Kre ativität, gestärktem Gedächtnis, verbes serter Problembewältigung und einer all gemeinen Schärfung unseres Denkens in Verbindung gebracht. Meditieren im Gehen ist in mancher Hinsicht sogar ein facher als im Sitzen. Also kein Wunder, wenn Sie durch den Wald spazieren und plötzlich einen Geistesblitz haben oder eine lang ersehnte Antwort auf eine per sönliche Frage kriegen. Etwas Ähnliches passierte 1843 dem irischen Mathema tiker Rowan Hamilton, als er den Royal Canal entlang spazierte. Ihm kam die Gleichung in den Sinn, die er jahrelang gesucht hatte. Er schmierte dann sofort seine Idee auf eine Brücke. Das Glück des Gehens, das Buch von Shane O’Mara

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