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Yvonne Keller Kolumne

Pipi - Stopp

Yvonne Keller Jahrgang 1965 Lebenslauf und Kontaktaufnahme: siehe www.starkvital.tv Fazit : Um 100 Jahre alt zu werden, ist es vorteilhaft, in der genetischen Lotterie gewonnen zu haben. Wenn nicht, wären die meisten von uns trotzdem in der Lage, mit der richtigen Einstellung und einem gesunden Lebensstil ein hohes Alter zu erreichen, und zwar weitgehend ohne chronische Krankheiten. Und dann ist da noch die Freude am Leben - trotz Schicksalsschlägen. Die Lebensweise der Menschen in den blauen Zonen kann tatsächlich als Inspiration dienen. Soziales Leben: Ebenso wichtig sind das soziale Leben und die Integration: In den Strassen der Dörfer versam meln sich die älteren Menschen draussen, in den Bars, in den Parks, auf den Plätzen der Kirchen in Gruppen von sechs bis zehn Personen und plaudern zwischen einem Glas Wein und dem anderen. Die 80 Prozent-Regel: "Hara hachi bu" (aus Okinawa), das 2500 Jahre alte konfuzianische Mantra, das vor den Mahlzeiten gesprochen wird, erinnert die Menschen daran, mit dem Essen aufzuhören, wenn ihr Magen zu 80 Prozent gefüllt ist. Die 20-prozentige Lücke zwischen dem Nicht Hungern und dem Sättigungsgefühl kann den Unterschied zwischen Abnehmen und Zunehmen ausmachen. Beim Füllen der Blase ist der Detrusor (Blasenmuskel) locker und entspannt. Der Beckenboden ist wach und bereit bei Druckveränderungen im Bauchraum (Hüpfen, Husten, Lachen...) mit Anspannung einen Gegenhalt zu geben. Diese Phase wird vom Sympathikus (aktiver Anteil des vegetativen Nervensystems) gesteuert. Sobald wir bereit sind, Wasser zu lösen, zieht sich der Detru sor zusammen, die Harnröhrenverschlussmuskeln und der Beckenboden entspannen sich und es bildet sich im Über gang von Blase zur Harnröhre eine Erweiterung (= Trichterbil dung) und der Urin beginnt zu fliessen. Diese Ausscheidungs phase wird vom Parasympathikus (entspannender Anteil des vegetativen Nervensystems) gesteuert. Diesen Miktionszyklus habe ich sehr vereinfacht wiederge geben. Vielleicht verstehen Sie, dass wenn wir diesen höchst komplexen Ablauf immer wieder, über längere Zeit, bei jedem Wasserlassen mehrfach stören, dies nicht gut kommt. Störun gen der Blasenfunktion sind vorprogrammiert. Lassen Sie Ihren Urin fliessen! Geniessen Sie im Sitzen die tiefe Entspannung, welche wir während jedem Ausscheiden erleben können, da wir dabei unter dem Einfluss vom Para sympathikus stehen. Lassen Sie bewusst Ihren Kiefer locker und wenn ein tiefes «Aah…» kommt, soll auch dies genussvoll ertönen. Ausscheiden ist so schön entspannend. Zelebrieren Sie diese kleinen meditativen Momente Ihres Alltags. Zu oft sind wir in der Hektik und im Stress vom Sympathikus (Flucht, Kampf...) gesteuert. Jeder Moment im Einfluss des Parasympathikus lässt ent spannen aber auch aufbauen, regenerieren und heilen – ein Geschenk, das wir nicht stoppen wollen. Wein: Die Menschen in allen blauen Zonen trinken regel mässig aber mässig Alkohol. Der Trick ist, ein bis zwei Glä ser pro Tag zu trinken. Sarden lieben den lokalen Cannonau Wein, das weinbauliche Sym bol der Insel. Dieser Wein ent hält zwei- bis dreimal so viele arterienreinigende Flavonoide als andere Weine. Das Spirituelle: Untersuchungen zeigen, dass die Zuge hörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft und der regelmä ssige Besuch von Gottesdiensten sich auch positiv in der Lebenserwartung widerspiegeln. Geliebte Menschen zuerst: Die starken familiären Werte Sardiniens tragen dazu bei, dass für jedes Familienmitglied gesorgt ist. Die Familie steht an erster Stelle. Menschen, die in starken, gesunden Familien leben, leiden seltener an Depressionen, bewältigen Stress besser und sind weni ger selbstmordgefährdet. Grosseltern können Liebe, Kin derbetreuung, finanzielle Hilfe, Weisheit und Motivation bieten, um Traditionen aufrechtzuerhalten und die Kinder zum Erfolg im Leben zu bringen. Erwachsene behalten ihre alternden Eltern und Grosseltern im Haus oder in der Nähe und kümmern sich um sie.

In Bezug auf die Gesundheit und damit die Langlebigkeit spielt die Ernährung eben eine Schlüsselrolle: Die sardische Küche ist reich an gesunden Nährstoffen aus frischem, lokal angebautem Gemüse, das einfach mit Olivenöl zubereitet und mit Zitrone, Knoblauch und anderen Gewürzen serviert wird. Traditionell sind Sarden Halb-Vegetarier, die wenig Fleisch verzehren, konsumieren aber regelmässig Hülsen früchte, essen den typischen Pecorino-Käse von grasge fütterten Schafen, der reich an Omega-3-Fettsäuren ist und vor entzündlichen Alterskrankheiten schützen kann. Ausser dem tragen der Verzicht auf das Rauchen und eine mässige, aber konstante körperliche Aktivität an der frischen Luft zur Erhaltung der Gesundheit bei. Und das angenehme Klima des Mittelmeers und die Sonnentage, die zur guten Laune verhelfen, sollten auch nicht vergessen werden. «Man arbeitet einfach weiter und isst Minestrone, Bohnen und Kartoffeln.» Lebensgewohnheiten der gesündesten und am längsten lebenden Menschen (blaue Zonen): Natürliche Bewegung: Die Menschen, die am längsten leben, führen keine anstrengenden Trainings und laufen keine Marathons. Stattdessen leben sie in einer Umge bung, die sie ständig dazu anregt, sich zu bewegen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie gehen täglich lange Dis tanzen zu Fuss, wie es die Hirten tun. Der Sinn des Lebens: Warum wache ich morgens auf? Das Wissen um die eigene Bestimmung und das Selbst wertgefühl scheinen das Leben um Jahre zu verlängern. Runterschalten: Stress führt zu chronischen Entzündungen, die mit allen wichtigen altersbedingten Krankheiten in Verbin dung gebracht werden. Die Gegenoffensive? Gewohnheiten annehmen, die helfen, Stress und Ängste zu vermeiden. Vor 30 Jahren war bei den meisten Frauen der Geheim tipp unter Freundinnen «Halte bei jedem Wasserlösen deinen Urinstrahl 2 bis 3 Mal an» . Dieser Pipi Stopp - Geheimtipp soll den Beckenboden kräftigen. Auch viele Gynäkolog:innen gaben diesen Rat ihren Patientinnen weiter. Doch schon damals war das Wissen vorhanden, dass dieser Pipi Stopp keine geeignete Massnahme ist, um als regelmässiges Beckenboden-Training ausgeführt zu werden. Was mich immer wieder erstaunt, ist, dass auch heute noch dieser Blödsinn rumgeistert. Ein Pipi Stopp ausgeführt, um zu testen, ob ich den Harnstrahl stoppen könnte, wenn ich müsste, ist okay. Als Test zeigt uns der Pipi Stopp: Ich habe die Kontrolle. Auch bei der ärztlichen Untersuchung, wo für die Urin probe ein «Mittelstrahl-Urin» gefordert wird, ist ein Pipi- Stopp wunderbar, damit wir uns nicht über die Finger pinkeln. Doch als Training, d.h. immer wieder beim Wasserlas sen ein bis mehrmals den Urinfluss zu stoppen, ist kon traproduktiv. Es fördert einerseits die Bildung von Restharn, was wie derum eine Gefahr für Infektionen ist, doch die Hauptge fahr ist, dass wir den Miktionszyklus stören. Was ist der Miktionszyklus? Miktion steht für «Wasser lösen». Miktionszyklus bedeutet das Füllen und Entlee ren der Blase.

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