HEALT TRIBUNE Nr. 4

Kom mentar

Anreize für oder gegen eine bessere Gesundheit

Dr. med. Bertino Somani

Dies auch für ältere Menschen: Wer beginnt sich aktiv zu bewe gen und zu trainieren - hat bald einen Nutzen. Unsere Gesell schaft müsste doch mit Anrei zen dieses gesunde Verhalten fördern. Wir erleben oft das Gegenteil - es bestehen falsche Anreize. Mit zunehmendem Alter erhöht sich die Gefahr der Gebrechlich keit - wir werden „immobil“. Dies führt zu einer grösseren Behin derung - viele Alltagsaktivitäten können nicht mehr ausgeführt werden, Kontakte werden ein geschränkt, Vereinsamung wird so zunehmen. Wieder zeigen Untersuchungen: Kraft ist hier des wichtigste Faktor. Krafttrai ning hilft gegen die Gebrechlich keit. Eigentlich eine Selbstver ständlichkeit im Alter, um die All tagsfähigkeiten möglichst lange zu erhalten. Gerade komme ich von einem Seminar aus Deutschland zurück - auch dort war dies ein Thema. Was sind die Barrieren, damit ältere Men schen nicht regelmässig Kraft training machen, obwohl alle möglichst selbstständig bleiben wollen: Nichtwissen? Zu geringe Motivation? Krafttraining ist zu aufwendig? Zuwenig förderliche Anreize? Folgender strukturell falscher Anreiz ist aber recht typisch für das Gesundheitssys tem: In Alters- und Pflegeheime wird die Unterstützung durch Krankenversicherer, Gemeinde

und weitere an den „Pflegeauf wand“ gekoppelt. Es ist daher nicht „lohnenswert“ für ein Heim den Bewohnern ein wirksames Training anzubieten. Bei Erfolg werden die Einnahmen des Heimes sinken (da weniger Pfle gebedürftige) und auch für die Bewohner ist es nicht attraktiv, da sie bei einem geringeren Pflegeaufwand einen grösse ren Teil nun selbst finanzieren müssen. In der Schweiz haben wir die gleiche Situation wie in Deutschland. Der Aufwand für ein gezieltes und wirksames Training im Altersbereich ist nicht lohnenswert, da Anreize dies behindern statt fördern. Wäre es nicht ein dringendes Anliegen, alle diese falschen Anreize aufzuführen, die „poli tisch und strukturell“ bestehen und viele Bemühungen zur För derung von Kraft und Bewe gung ins Leere laufen lassen?

Die Fakten sind eigentlich gut bekannt. Mit dem Alter gehen wichtige „Substanzen“ ver loren. Viele wissenschaftliche Untersu chungen zeigen beispielsweise: • Abbau von Knochensubstanz (beginnt schon nach dem 20. Altersjahr) • Verminderung der Muskelma sse (etwa 1-2 % ab dem 40. Lebensjahr) • Abnahme verschiedener Gehirnfunktionen Diesen natürlichen Lebenspro zess können wir nicht stoppen - aber verlangsamen. Auch dafür gibt es zahlreiche unbestrittene Untersuchungen. Der Abbau von Muskeln kann mit einem regelmässigen Trai ning verlangsamt werden. Stu dien zeigen, dass körperliche Betätigung positiv die generelle kognitive Fitness im Alter beein flussen. Ältere Menschen haben heute im 65 Altersjahr in der Schweiz noch eine Lebenserwartung von etwa 19-20 Jahren - davon sind etwa 16 Jahre behinderungs freie Lebensjahre. Es zeigt sich, dass mit regelmä ssiger ausreichender Bewegung und Krafttraining die Behinde rungen ausgeprägt beeinflusst werden können.

Dr. med. Bertino Somaini

1946 geboren, verheiratet, 2 Söhne. Arzt, Präventivmediziner mit Public Health Ausbildung.

Seit längerer Zeit aktiv in Prä vention und Gesundheits förderung. Berufserfahrung in der Verwaltung (Bundesamt für Gesundheit), Universität Zürich, Gesundheitsförderung Schweiz. Jetzt eigene Beratungsfirma

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