FT 106 - Jahr 2007

Product News

Die Schuhe lernen laufen Blasen, brennende, schmerzende Füsse, Hornhaut, Überbeine, ent zündete Achillessehne, Hüftbeschwerden – wer sich viel bewegt, wer trainiert und Sport treibt, kennt meist aus eigener, schmerzlicher Erfah rung die vielen Probleme, die Schuhe, Böden und Belastungen verursa chen können. Die Strategien der Schuhindustrie waren immer gleich: dämpfen, dämpfen und nochmals dämpfen. Dämpfen, stützen, führen, den Muskeln die ganze Arbeit abnehmen, wurde als Lösung propagiert. Immer dickere und weichere Sohlen wurden von smarten Marketingstra tegen zum Verkaufsschlager gemacht. Obwohl seit Jahren Fakten und Forschungsarbeiten in aller Welt zeigen, dass das der falsche Ansatz ist. Niemand wollte sich dafür interessieren. Der Konsument nicht, weil sich die weichen Schuhe so bequem anfühlen. Die Schuhindustrie nicht, weil jede, auch noch so unsinnige, neue Dämpfung zum Verkaufsschlager wurde. Die Probleme aber blieben.

Text: Ueli Schweizer Fotos: SpringBoost

Neue Technologien Earth Shoes , MBT - die Masai Barefoot Technology , Nike Free , SpringBoos t: neue Schuhkonzepte beginnen sich gegen die jahrzehntelange Dominanz der immer extremeren Dämpfungen aller bekannten und grossen Sport schuhmarken durchzusetzen. Die starke Dämpfung wurde von den Herstellern über die Jahre als wesentlichstes Merk mal eines qualitativ guten Sportschuhs positioniert. Die Marken überboten sich mit immer neuen Innovationen. Luft, Gel, Federn, spezielle Kunststoffe, alles wurde ausprobiert, als revolutionär ver marktet und immer teurer verkauft. Mehr Beschwerden dank Dämpfung In der Aprilausgabe 2006, des Sonder heftes „Laufen“ der Schweizer Zeit schrift Fit for Life erklärt der bekannte Sportarzt und orthopädische Chirurg, Dr. med. Bernhard Segesser , dass mehr Dämpfung mehr Probleme am Bewegungsapparat auslöst. Neue For schungen belegten dies klar, aber die Sportschuhindustrie wolle davon partout nichts wissen. Denn plötzlich müsste den Kunden erklärt werden, dass der jahrzehntelange Hype um die Dämp fung ein Unsinn ist. Ein Unsinn, der die Kassen der Fabrikanten schön klingeln liess und lässt. Es müsste erklärt wer den, dass die unabhängige Forschung seit längerem belegt, dass wer dämpft, mehr Probleme beim Trainierenden auslöst, als ihnen vorbeugt. Die Mar ken müssten zugeben, dass ganz andere Mechanismen für Komfort, Prävention und Leistung entscheidend sind. Dass für den Fuss funktionelle Anatomie, Biomechanik und Muskelphysiologie wichtiger wären als Mode, Trend und Lifestyle. Form follows Function sollte beim hoch belasteten Fuss immer gel ten! Grosse Hebel Dämpfungen produzieren im Fuss grosse, ungünstige Hebel. Der Fuss

kann in alle Richtungen wegkippen. Gelenke, Bänder und Sehnen werden punktuell, einseitig und unphysiologisch zu hoch belastet. Dies führt zu Ent zündungen, Abnützungen und Verlet zungen. Sogar Probleme am Hüftgelenk treten stark gehäuft auf, sodass Segesser die typische Dämpfungshüftschmerzen als „Nike Syndrom“ bezeichnete. Das merkt der Trainierende aber erst, wenn es zu spät ist, weil vorher, dank der Dämpfung, sich die Schuhe so herrlich weich anfühlten. Beim gedämpften Schuh werden wich tige neuromuskuläre Informationen ausgeschaltet. Muskelschlingen werden nicht oder ungenügend aktiviert Die Gelenke werden nicht muskulär stabili siert, geführt und entlastet. Die wichtige Muskulatur für die natürliche, körperei gene Dämpfung und Stabilisierung des Fussquer- und Fusslängsgewölbes, der Pronation und Supination, des Sprung-, Knie und Hüftgelenkes und der Wir belsäule werden nicht aktiviert und nicht vorgespannt. Der Fuss wird beim Aufsetzen platt gedrückt, die Gelenke werden hoch und falsch belastet. Schäd liche Scherkräfte treten auf. Der Trai nierende fällt unkontrolliert und ohne genügende Muskelspannung von einem Schritt in den nächsten. Und das Schritt für Schritt, während 10 Kilometern oder einer ganzen Aerobicstunde! SpringBoost – noch klein, aber mutig Die kleine Schweizer Firma SpringBoost wählt seit wenigen Jahren den gegentei ligen Ansatz. „Absolut keine Kompro misse!“ sagt mit Nachdruck Behrouz Bayat , der technische Direktor und Forschungsleiter dieser jungen Firma. „Wir produzieren nur Schuhe, wo jedes einzelne Element wissenschaftlich erforscht und gesichert ist. Da noch viele Wissenslücken bestehen, führen wir seit sieben Jahren in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten weltweit die benötigten Forschungsarbeiten durch.

Grössere Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Komfort sind die Ziele unserer Sport schuhtechnologie. Oft ergeben sich bei diesen Forschungsarbeiten unbequeme Erkenntnisse, die alles bis jetzt Gültige auf den Kopf stellen“ , ergänzt Bayat mit grossem Enthusiasmus in der Stimme. Diese neuen Erkenntnisse umzusetzen, bedingen Flexibilität und Offenheit im Denken und im Handeln. Darum hat sich die Firma am Genfersee, auf dem Gelände der Universität Lausanne, der Science City , niedergelassen. Damit Forschung und Entwicklung ganz nahe beisammen sind und sich gegenseitig befruchten. Damit der Kommerz hof fentlich nie seltsame Blüten treibt. Dass in jedem Schuh Biomechanik, funktio nelle Anatomie und Muskelphysiologie spürbar sind. Starke Biografien Behrouz, genannt „Bibi“ Bayat, gebür tiger Iraner, lebt seit seinem zwölften Lebensjahr in der Schweiz. Begeistert vom Sport, beschloss er vor einigen Jah ren sein Hobby zum Beruf zu machen. Als erfolgreicher Banker hatte er viel Geld verdient und konnte sich ohne exi stentielle Sorgen mit ganzer Kraft und grosser Lust in die neue Herausforde rung stürzen. Eine Dissertation von Jörg Fuchslocher an der Universität Laus anne und andere Forschungsarbeiten zum Thema Sportschuh weckten sein Interesse und wurden zu seiner Passion. Etwa gleichzeitig suchte der Kana dier Andrew Silvestri, heute CEO and Chairman von SpringBoost, nach einer neuen Herausforderung. Er hatte mit

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