FT 106 - Jahr 2007

Ueli Schweizer Kolumne

Stress und Bewegung

Zuerst das Wichtigste: grosser Stress löst im Körper immer eine Flucht- und Kampfreaktion aus. Der Körper verän dert sich in Bruchteilen einer Sekunde. Das vegetative Nervensystem stellt den Körper sofort auf veränderte Umweltbe dingungen ein. Stresshormone (Adre nalin, Kortisol u.a.m.) werden ausge schüttet, damit der Körper sofort stark zuschlagen (Kampf) und/oder blitz schnell wegrennen (Flucht) kann. In der Geschichte des Menschen musste auf eine existentielle Bedrohung immer mit einer körperlichen Reaktion geantwortet werden. Das sicherte uns das Überle ben. Körperreaktionen Erst seit wenigen Jahrzehnten muss, ja darf der Mensch in Stresssituationen nicht mehr körperlich reagieren. Einem stressigen Kunden eins auf die Nase schlagen und dann wegrennen ist heute offensichtlich keine erfolgreiche Strate gie. Obwohl unsere Biologie genau das tun möchte. Wir unterdrücken diese natürliche Reaktion und bleiben schein bar ruhig und kontrolliert. Jedoch: das Herz schlägt schneller, denn der kämpfende und fliehende Muskel sollte sofort mit mehr Sauerstoff und Nähr stoffen versorgt werden; die Atmung wird schneller und oberflächlicher, der Sauerstoff muss möglichst schnell ins Blut und von dort in den Muskel; der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich an, denn sie sollten sofort Höchst leistungen erbringen können; wir begin nen zu schwitzen; der Stoffwechsel und die Energiebereitstellung im Muskel laufen auf Hochtouren; Fette, Kohlen hydrate und Eiweisse werden sofort für den zu erwartenden hohen Energiebe darf bereitgestellt. Zwei Möglichkeiten Die Hirnfunktionen werden so stark reduziert, dass wir nur noch die bei den Möglichkeiten Flucht oder Kampf haben. Hätten wir mehr Optionen zur Auswahl, würde die Wahl der in die ser Situation besten Verhaltensweise zu lange dauern. Wir wären im Laufe der Evolution schon längst aufgefressen wor den und ausgestorben. Im Geschäfts- und Privatleben müssten wir heute natürlich auf Stress differenziertere Ant

worten und Lösungen zur Verfügung stellen. Die Verdauung wird beeinträch tigt oder ganz unterdrückt, denn Flucht und Kampf sind jetzt wichtiger als ruhig und gemütlich eine köstliche Mahlzeit zu verdauen. Die Haut wird nur wenig durchblutet, der kalte Schweiss bildet sich auf der Stirne. Die Muskeln brau chen jetzt eine grosse Menge Blut. Die Haut wird ungenügend versorgt und lei det. Die Hormone, die die Geschlechts drüsen aktivieren, werden unterdrückt. Im Moment des Stresses sind Gedan ken oder Wahrnehmungen von Liebe, Sex und Fortpflanzung keine Erfolgs strategie, denn es geht ja um das nackte Überleben in einer akuten Gefahrensi tuation. Die mobilisierten, aber von der Muskulatur nicht gebrauchten Fette bleiben im Blut und lagern sich mit der Zeit an den Gefässwänden ab. Zusam men mit der durch den Stress erhöhten Blutgerinnung ergibt das eine gefähr liche Mischung für Thrombosen, Herz infarkt und Hirnschlag. Alarmphase Erfolgt in dieser Alarmphase, mit der Bereitschaft zur physischen Höchst leistung, keine körperliche Aktivität, wird das im Wiederholungsfall für die Gesundheit gefährlich. Alle Stress bedingten, körperlichen Veränderungen, wie hohes Adrena lin und Kortisol, erhöhter Laktatspie gel und Blutdruck, oberflächliche und schnelle Atmung, finden ohne Bewe gung nur sehr langsam, nämlich über Stunden, zur Normalität zurück. Da in der modernen, beschleunigten und mit starken Reizen überfluteten Gesell schaft kleinere und grössere Stressein wirkungen mehrmals am Tag erfolgen, bleibt der Alarmzustand permanent bestehen. Entspannung, Erholung, Schlaf, Gelassenheit, gute soziale Bezie hungen werden schwierig. Die körper liche und seelische Gesundheit beginnt zu leiden. Immun- und Hormonsystem, Bindegewebe und Herz-Kreislaufsy stem werden geschwächt und mit der Zeit krank. Sozial isolieren wir uns oder flüchten in eine oberflächliche, flatter hafte und rastlose Geschäftigkeit. Kon zentration, Kreativität und Lernbereit schaft nehmen ab. Fehler, Vergesslich-

Ueli Schweizer Jahrgang 1952

eidg. dipl. Turn- und Sportleh rer, Ausbildungsleiter an der Safs, Schule für Aerobics und Fitness in Zürich, Laktatexperte, international bekannter Referent und Seminarlei ter, Consultant bekannter Firmen, Ausbilder von Trainern. STRENFLEX Vize-Weltmeister 2004, Alterskategorie III (50 bis 59), Gewichtsklasse -80 kg. Träger des STRENFLEX Fitness Sportabzeichens SILBER.

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