FITNESS TRIBUNE Nr. 141 Archiv aus dem Jahr 2013
Harald Gärtner Kolumne
Sind Kniebeugen schlecht für die Knie? Teil II
von Harald Gärtner
Kniebeugetiefe und physikalische Leistungswerte In einer aktuellen Studie (Drinkwater et al. 2012) wurden verschiedene Kraftqua litäten wie Geschwindigkeit, geleistete Arbeit etc. einer Teilkniebeuge mit einer Parallelkniebeuge verglichen. Als Ver suchsteilnehmer dienten Rugbyspieler, die in vier Trainingseinheiten jeweils 4 Sätze Kniebeugen zu je 10 Wiederho lungen absolvierten. Die Gewichte wur den dabei immer an die Kniebeugentiefe angepasst und entsprachen 67 und 83 Prozent der Maximalkraft. Interessant ist es bei dieser Studie einen Blick auf die ermittelten Maximalge wichte der jeweiligen Kniebeugenvarian ten zu werfen. Bei der Parallelkniebeuge brachten die Rugbyspieler durchschnitt lich 148,8kg, bei der Teilkniebeuge sogar 270,8 kg zustande. Allein diese Daten zeigen, dass es sich bei den Versuchs teilnehmern nicht gerade um Anfänger gehandelt hat. Soweit, so gut. Kommen wir zu den Ergebnissen. Es stellte sich heraus, dass die Spitzenkraft bei der Teilkniebeuge mit 83% zustande kam, gefolgt von der Parallelkniebeuge mit 67%. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da aufgrund des geringeren Bewegungsumfangs höhere Gewichte verwendet werden konnten. Die höchste Geschwindigkeit dagegen wurde bei einer Parallelkniebeuge mit 67% erzielt, gefolgt von der Teilknie beuge mit 83%. Zum Schluss wurde noch untersucht, bei welcher Kniebeugevariante insge samt die meiste konzentrische, sprich überwindende Arbeit verrichtet wurde. Hierbei landete die Parallelkniebeuge mit 83% auf Platz Nummer eins.
Bei kaum einer Übung entstehen im Fit nessclub so viele Diskussionen wie bei der klassischen Kniebeuge mit Langhantel auf dem Rücken. Während für die einen die Kniebeuge die „Königin der Beinübungen“ darstellt, ist für die anderen die Kniebeuge schlichtweg eine kniezerstörerische Übung, die niemand auch nur erwägen sollte aus zuführen. Werden dann doch Kniebeugen ausge führt, entstehen schon die nächsten Dis kussionen hinsichtlich der richtigen Knie beugentiefe. Auch hier sind die Meinungen wieder gespalten, denn die Empfehlungen lauten von Teilkniebeuge, Kniebeuge bis zur Parallelen, Knie nicht über 90 Grad bis hin zu „soweit runter wie es geht.“ Fragt man die Verfechter einer Teilknie beuge, warum man denn nicht tiefer nach unten gehen soll, bekommt man meist die Antwort: „Weil das schlecht für die Knie ist!“. Eine tiefer gehende Begründung bleibt fast immer aus, von einer wissenschaftlichen Diskussion mit Hilfe von Biomechanik und Studien ganz zu schweigen. Grund genug, dass wir uns in diesem Artikel einmal näher mit der Kniebeuge bzw. Knie beugentiefe und Kniebelastung beschäfti gen. Kniebeuge – Wirkungen von Knie beugentiefe und Standposition In der letzten Ausgabe der Fitnesstri bune haben wir einen Blick auf häufig gemachte Aussagen zur Kniegelenks belastung durch Langhantelkniebeugen geworfen und diese einer kritischen Prü fung unterzogen. In diesem Artikel geht es mit der Knie beuge weiter, allerdings wenden wir uns einigen Untersuchungen zu, die sich mit dem Trainingseffekt der unterschiedli chen Kniebeugetiefen und der Fussstel lung beschäftigen.
Harald Gärtner , Jg. 1970, Diplomsportwissenschaft ler Uni Tübingen. MBA FH Reutlingen, NLP-Master (DVNLP). Referent & Dozent BSA-Akademie & Deutsche Hochschule für Prävention & Gesundheitsmanagement (DHfPG), Fachautor. gaertner.harald@web.de Strenflex GOLD
Kniebeugentiefe und Trainingsef fekte Bevor wir uns der Auswirkung der Knie beugentiefe widmen, hier nochmal eine kurze Übersicht über die unterschiedli chen Kniebeugetiefen für all diejenigen die den ersten Teil nicht gelesen haben: Man spricht von einer Parallelkniebeuge, wenn sich der Drehpunkt des Hüftge lenks auf einer parallelen Linie mit dem Kniegelenk befindet. Eine Teilkniebeuge ist die Ausführung, die meist im Studio zu sehen ist. Dabei werden die Kniegelenke zwischen 90 und 120 Grad gebeugt. Wenn man von Trainingseffekten spricht, sollte zuerst unterschieden werden, was damit gemeint ist. Zum einen lässt sich fragen, ob es einen Unterschied hin sichtlich der Muskelaktivierung gibt. Eine Frage, für die sich sicher all diejenigen interessieren, denen es eher um den Muskelaufbaueffekt geht. Zum anderen kann untersucht werden, bei welcher Kniebeugentiefe die geleistete Arbeit oder auch die erreichte Geschwindig keit am höchsten ist. Die Beantwortung dieser Frage ist für die Personengruppe interessant, der es mehr um athletisches Training geht. Schauen wir zunächst einmal auf den Einfluss der Kniebeugentiefe auf unterschiedliche Kraftqualitäten wie Geschwindigkeit, geleistete Arbeit usw.:
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