FITNESS TRIBUNE Nr. 141 Archiv aus dem Jahr 2013

Literature News

2. Kapitel von Bulletin I

Physikalische Grundlagen konventioneller Trainingsmethoden

Fast alle konventionellen Übungen basieren auf dem durch die Erdan ziehung gegebenen Widerstand; selbst wenn Federn als Widerstand verwendet werden, ist das Resul tat in etwa dasselbe. Diese Art von Widerstand läuft stets nur in eine Richtung. Obwohl es möglich ist, über Umlenkrollen die Richtung des Widerstandes zu ändern, ist es mit konventionellen Geräten nicht mög lich, diesen in mehr als eine Richtung zu steuern. Es gibt einige wenige Übungen mit konventionellen Geräten, bei denen dieser Mangel bis zu einem bestimmten Grad kompensiert wer den kann. In einem späteren Kapi tel komme ich auf diese Übungen zurück. Die Beschränkung der Richtung des Widerstandes ist wahrscheinlich der grösste limitierende Faktor der Trai ningswirksamkeit, denn er verun möglicht die Erfassung von mehr als nur einem geringen Prozentsatz der Muskelfasern. Warum? Weil der Widerstand nur in einer Richtung gegeben ist, die involvierten Körperteile aber stets Drehbewegungen ausführen und Sie somit versuchen, der Drehbewe gung eine gerade verlaufende Kraft entgegen zu setzen. Eine Unmög lichkeit – jedenfalls mit konventionel len Geräten. Bei der Armbeuge mit einer Hantel beispielsweise, handelt es sich um eine Drehbewegung von zirka 160 Grad. Beim Start ist die Bewegung nahezu horizontal, in der Mitte verti kal und am Schluss wieder horizon tal, jedoch in umgekehrter Richtung als am Anfang. Der Widerstand wirkt aber während der gesamten Übung stets verti kal. Obwohl der Widerstand kons tant bleibt, scheint er bis zur Mitte der Bewegung schwerer und nach deren Überschreiten wieder leichter zu werden. In der Schlussposition ist kein Widerstand mehr da, und die Position kann ohne jede Anspan nung der Beugemuskulatur gehal ten werden. Direkter Widerstand ist lediglich in einem winzigen Bewe gungsabschnitt gewährleistet – dort wo die Hantel vertikal bewegt wird.

Eine sorgfältige Untersuchung zeigt, dass dies bei fast allen konventio nellen Übungen der Fall ist. Und bei vielen konventionellen Übungen ist während der ganzen Bewegung nirgends direkter Widerstand gege ben. Würde die normale Kraftkurve menschlicher Muskeln mit dem durch die Übung gegebenen Wider stand übereinstimmen, würde sich die Übung an jedem Punkt gleich anfühlen – ohne einen „toten Punkt“ und ohne Passagen mit geringem oder gar keinem Widerstand. So wie lediglich hoch zu springen nicht die ideale Weise der Vorwärts bewegung darstellt, da diese eine Anstrengung in vertikaler wie in hori zontaler Richtung erfordert, ist es nicht möglich, eine Drehbewegung mit konstantem Widerstand mit einer gradlinigen Bewegung zu erzeugen. Der adäquate Widerstand ist damit nur in einem limitierten Bewegunab schnitt gegeben. Wenn – wie im Fall der Armbeuge – das Gewicht in der horizonta len Position zu schwer ist, kann die Bewegung nicht vervollständigt werden. Wenn es leicht genug ist, um diese Position zu überschreiten, ist es in den übrigen Positionen zu leicht. Das heisst, dass Sie bei einer Bewegung von ca. 160 Grad ledig lich in weniger als einem Grad den richtigen Widerstand haben. In der Praxis jedoch ist es nicht ganz so schlimm: tatsächlich haben Sie in etwa 20 Grad wirksamen Wider stand. Trotzdem – was ist mit den restlichen 140 Grad?

Wie immer Sie die Übung ausführen: es ist nicht möglich, über einen Sek tor von 90 Grad hinaus wirksam zu trainieren. Aber es ist möglich, die „richtigen“ 90 Grad einer Übung zu wählen. Auch dies ist jedoch das Thema eines späteren Kapitels. Soviel jedoch sei gesagt: Einige Kör perpositionen sind sehr viel vorteil hafter als andere, weil sie den invol vierten Muskeln ermöglichen, in ihrer stärksten Position zu arbeiten. Nun – es wäre falsch anzunehmen, dass der wechselnde Widerstand bei konventionellen Übungen immer von Nachteil sei. Ganz im Gegenteil, in vielen Fällen ist dies ein Vorteil. Am Beispiel der Armbeuge ist festzustel len, dass sich die Beugemuskeln des Oberarmes beim Start der Bewe gung mit gestreckten Armen in ihrer schwächsten Position befinden. Mit fortschreitender Beugung nimmt die Kraft rapide zu. Der scheinbar zunehmende Widerstand ist in die sem Fall ein entscheidender Vorteil, weil der Widerstand gleichzeitig mit der Kraft des Muskels zunimmt – wenngleich nicht proportional. Trotzdem – jede Zunahme des Widerstandes ist besser als keine, weil der Muskel mehr Widerstand braucht, wenn die Arme gebeugt sind. „Aber“, mögen Sie fragen, „warum brauchen Muskeln mehr Widerstand wenn sie sich zusam menziehen?“ Aufgrund ihrer Form und der Art und Weise, wie sie funk tionieren.

Fortsetzung Seite 52

Die physiologischen Kraftkurven variieren beträchtlich. Die unterbrochene Linie zeigt den Verlauf bei der Armbeuge, die durchgehende Linie jenen bei der Kniebeuge.

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